Nun begab es sich, daß auf des Metzgers Fest auch einige Polizeibeamte eingeladen waren. Immerhin hatte der Metzger damals, als man ihn in einer Tour bestohlen hatte, fast wöchentlich eine Anzeige machen müssen - auch eine Art, neue Bekanntschaften zu schließen.
Augsburg ist, wie jeder weiß, ein Dorf, und so waren jene Polizeibeamte natürlich auch Anton bekannt und vice versa. Zwar hatte Anton niemals den Bekanntheitsgrad seines Bruders erreicht, der auf der Straße fast unentwegt aus Polizeiautos heraus grinsend gegrüßt wurde, aber es hat ihm so auch grad gereicht.
Ein wenig ärgerlich fand er es daher schon, nun auch im fernen München einigen seiner eher nicht so lieben alten Bekannten solcherart über den Weg zu laufen. Hatte er doch gedacht, hier völlig unerkannt ein neues Leben anfangen zu können.
Dies alles war natürlich vom Metzger im Detail geplant worden. Später, wenn alle einigermaßen betrunken waren, wollte er ein kostbares Kleinod in Antons Umhängetasche stecken, hierauf ein großes Gezeter anstimmen und die Polizeibeamten sollten bei der flugs anberaumten Untersuchung das Kleinod finden, Anton mitnehmen und ENDLICH einmal bestrafen. Auf Juwelenraub stand ja doch ein bissl mehr als auf Schinkendiebstahl, und besondere Heimtücke war auch im Spiel, wenn man den Gastgeber auf dessen eigenem Fest hinterrücks beklaute. Da war sich der Metzger absolut sicher.
Dummerweise hatte Anton Mirandas Ermahnungen im Ohr, sich ja nicht zu besaufen, stets wachsam zu bleiben, immerhin könne er nicht sicher sein, daß der Metzger ihm verziehen habe, schön blöd wäre er, setzte sie feixend hinzu, woraufhin Anton wutentbrannt davonstob ... ihr aber insgeheim doch recht geben mußte. Der Schaden damals war beträchtlich gewesen, sein Gewinn dabei zwar praktisch gleich Null, aber er war halt der Trottel der überlebt hatte. Zagreb war von der Bildfläche verschwunden, dem konnte man nichts mehr anhaben.
Unlustig schlenderte Anton durch die Menschenmenge. Das Essen wagte er nicht anzurühren, aus Angst, es könnte vielleicht, extra für ihn, vergiftet sein, trinken sollte er ja nix, die Musik war irgendwas zwischen Heino und Marschmusik, also tanzen war ebenfalls ausgeschlossen. Nicht, daß Anton jemals getanzt hätte. Nicht einmal im Zustand höchster Intoxikation. Aber so nüchtern und zu SO einer Musik schon absolut zweimal nicht.
Je weiter der Abend voranschritt, desto zappeliger wurde der Metzger. Was trieb Anton denn da nur? Lief wie aufgezogen im Kreise herum, sprach einmal hier mit jemandem, einmal dort, lehnte alle ihm angebotenen Speisen und Getränke ab - aber er blieb. Eisern. Warum? Was hatte er vor? Wollte er die Lage sondieren und ihn etwa nun auch in seinem neuen Schrebergarten bestehlen?
Heiße Wut kroch im Metzger hoch und macht ihn unvorsichtig. Er mußte diesem Treiben ein Ende bereiten. Und zwar genau jetzt! Im Gegensatz zu Anton hatte der Metzger nämlich bereits ganz gut getankt und alles in ihm schrie nach RACHE. RACHE. RACHE.
Forschen Schrittes bewegte er sich, etwas schlingernd doch ansonsten mehr oder weniger zielgenau, auf Anton zu und sprach ihn an: 'Horchamal, Anton, es isch fei ned notwendich, daß du dei Tasch dia ganze Zeit do umeinandertragsch. Die kannsch fei grad do an'd Gardererob au hänga.'
In diesem Moment fiel Anton ein, daß er dem Metzger sein Versöhnungsgeschenk noch nicht überreicht hatte. 'Hey, gut, daß Sie mich erinnern, I hätt da no was für Sie dabei! A Gschenk vom Zagreb, ganz was Tolles! Schauns amal!' Begeistert wollte Anton in seine Tasche greifen und den Seelenspiegel herausholen, da flippte der Metzger, der dachte, Anton wolle ihn am Ende erschießen, komplett aus, rempelte ihn gegen die Wand und schrie aus vollem Halse: 'Hilfe, Polizei, Polizei!!!'
Natürlich waren die Freunde und Helfer sofort zur Stelle, rissen Antons Arme nach hinten und meinten süffisant: 'Nanana, Herr Fieselmaier, alles klar? Was hammer denn schon wieder vor, hm?'
Anton war von sämtlichen Socken. 'Ja aber ... ich hab doch garnix g'macht! Ich hab dem Herrn Metzger doch nur mein Geschenk geben wollen, und da haut er mich ins Eck rein und fängt das Umeinanderplärren an!'
'Stimmt das, Xaver?', wandte sich einer der Polizisten an den Metzger, der offenbar Xaver hieß.
Dieser stand inzwischen schwankend in der Mitte des Zimmers und wußte nicht mehr, wovor er sich eigentlich gefürchtet hatte. Noch dazu war es ihm nicht gelungen, das Zielobjekt in Antons Umhängetasche zu stecken, und hielt daher immer noch in der Hand die er abwehrend ausgestreckt hatte ... einen diamantbesetzten Rasierspiegel. Mit Perlmuttgriff.
'Jö schau!', rief Anton, schon wieder ganz munter, da auch der zweite Polizist ihn inzwischen losgelassen hatte, angesichts der Tatsache, daß offenbar keinerlei Straftatsbestand vorlag. Zwar sind nicht alle Polizisten so rasch so einsichtig, aber immerhin waren sie nicht im Dienst, also warum übereifrig sein. 'Jö schau, Herr ... äh ... Xaver, ham Sie etwa schon einen Seelenspiegel?'
Der Metzger war verwirrt. Was faselte der Dummkopf denn da?
Seelenspiegel? War er vielleicht auf Trip und wollte deswegen nichts trinken? Hm ... sollte man vielleicht eine Blutprobe???
Inzwischen hatte Anton unbehelligt in seiner Tasche gekramt und Zagrebs Mitbringsel daraus hervorgezerrt: 'Schau!', hielt er es dem Metzger unter die Nase. 'Wenn man da reinschaut dann kann man sehen, was die Person, mit der man gerade redet, wirklich denkt!' Treuherzig blickte er den Metzger an, dann den Spiegel ... und wurde bleich.
Hinter ihm war einer der Polizisten herangetreten und wagte ebenfalls einen neugierigen Blick in den Seelenspiegel. 'Hm, hm, hm ...', machte er und sah den Metzger ernst an. 'Hör mal Xaver, also bei allem Verständnis für deinen damaligen Verlust, aber SO geht's jetzt auch nicht. Herr Fieselmaier, es wäre besser, wenn Sie jetzt gehen, und wir beide, Xaver, wir setzen uns jetzt einmal in die Küche und machen uns einen ordentlichen Kaffee, was?'
Wieder einmal mit sich und der Welt im Unreinen machte Anton sich auf den Heimweg, hoffend, daß zumindest Miranda schon im Bett sei, und er sich ihre schadenfrohen Bemerkungen ersparen konnte. Soviel zum Thema Vergeben und Vergessen. Hah. Was war die Welt doch schlecht!
Kaum war er auf die Straße getreten, hörte er neben sich die altbekannte blecherne Stimme: 'Anton, Anton ich grüße dich! Bist du sicher, daß du hier auf der Erde bleiben willst? Anton, ich habe eine Idee!' Ergeben kletterte Anton zu Zagreb in den Waschkessel, um sich in aller Ruhe dessen Idee anzuhören.
'Hosch wenigschtens a Bier dabei?' 'Anton, ich habe IMMER etwas Gutes zu Trinken dabei, und wenn nicht, dann weiß ich zumindest, wo ich etwas herbekomme, Anton du weißt das! Und nun fliegen wir mal eine hübsche Runde, bevor dein Erzfeind mitbekommt, daß ich seine Kellerbestände erheblich dezimiert habe während er versucht hat, dir seinen Spiegel unterzujubeln. Geschieht ihm recht Anton, da kannst du nicht anderer Meinung sein als ich!'
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