Samstag, 22. Februar 2020

Anton findet einen Freund - Zukunftsgarten 2

Maria hat gesagt ich soll mich abends auch mal mit ans Feuer setzen und nicht immer nur allein in meiner Hütte hocken. Sie hat es freundlich und verständnisvoll gesagt, sie weiß um meine Kinderseele und sagt sie versteht, daß ich mich zum eigenen Schutz zurückziehen muß, aber sie findet auch, daß Kontakte wichtig sind und wen ich denn von allen, die ich bisher so kennengelernt habe, am meisten mag wollte sie wissen. 'Den Charlie', hab ich gesagt und auf den Boden geguckt.

'Wohlan', hat sie gemeint, 'dann setze dich heute Abend mal zu ihm, er ist nämlich auch viel allein und ich glaube ihr beiden habt einiges gemeinsam. Auch du warst und bist auf deine Art ein verwundeter Krieger, hast deine Ehre und deinen Stolz, hast nie jemanden verraten und immer den Schwächeren geholfen, oft zu deinem Nachteil. Und ohne, daß dich jemand dafür geehrt hat. Für Standfestigkeit bei Verhören gibt es nun einmal keine Orden, im Gegenteil. Aber nun laß dich nicht länger von einer alten Frau vollfaseln, geh raus an die frische Luft, besuch deine Kaninchen und laß mich morgen wissen wie es gegangen ist am Feuer!'

Irgendwie ein komisches Gefühl. Auf Kommando einen Freund suchen. Bisher hab ich mich nicht in seine Nähe getraut, er macht so einen abweisenden Eindruck und abends hockt er meist in seiner Hütte, genau wie ich. Ob er auch raucht? Inzwischen ist es Abend und eigentlich ... eigentlich hätt ich jetzt Lust auf ein Bier. Wie früher. Bier und was zum Rauchen ... 

Kein Wodka. Der hat mir eh nie geschmeckt, ich wollt mir damit nur die Schmerztropfen abgewöhnen. Vielleicht hätt ich das Miranda sagen sollen, dann hätt sie nicht so geschimpft immer, aber ich hab meine Entzüge bisher immer allein gemacht ... nur dieses Mal wollte es nicht so recht klappen. Die Rückenschmerzen waren ja da, und die Tropfen halt auch ... aber jetzt geht es. Seit ich nicht mehr im Getränkemarkt arbeite, ist es besser geworden. 

Der Getränkemarkt hat einem Freund gehört und Freunden muß man helfen wenn sie einen brauchen, Rücken hin oder her. Aber ich war dann schon immer öfter auch enttäuscht, wenn sie dennoch über mich gelacht haben. Er und der Archie. Mit dem er immer Fußball geguckt hat. Tut weh, sowas. Selber reinsaufen bis der Arzt kommt aber mir jedes Bier vorhalten, das ich trinke, obwohl es geheißen hat ich kann mir was nehmen während der Arbeit. Wenn ich schon kaum was bezahlt krieg dafür und extra aus München rübergefahren bin, seit ich bei Miranda gewohnt hab. Ist nicht nur einmal passiert, daß er mich dort angerufen hat, er tät mich dringend brauchen weil er eine Lieferung kriegt, ich fahr auf eigene Kosten hin so daß ich unter'm Strich draufzahl, und stapel alles ordentlich auf ... und dann steht er neben mir, schaut sich die Kästen an und meint: 'Eigentlich hätt I ja garnix braucht ...'

Da kann man dann schonmal eine Wut kriegen!

Seit ich hier bin hab ich aber keinen Alkohol mehr getrunken, obwohl er nicht verboten ist, wir sind ja keine Entzugsklinik oder so. Aber mir hat das schon zu denken gegeben was Miranda mir immer wieder gesagt hat, also daß ich ein völlig anderer Mensch wär wenn ich was trink. Man könnt nicht mit mir reden in dem Zustand, ich wär dann einfach der totale Ungustl. Und das will ich doch nicht sein. Aber ich kenn's halt nicht anders, bei uns daheim stand immer ein Topf mit Bier am Herd. Mein Vater hat es warm getrunken. Ok er war alt. Als ich geboren wurde war er schon sechzig. Aber dennoch, warmes Bier! 

'Bua, nimm dir doch', sagte er immer, aber mir war das Bier aus dem Kühlschrank doch lieber. Wenn mein lieber Bruder noch welches übriggelassen hatte. 

Eines Morgens, die Mutter war schon drei Jahre zuvor gestorben, da war ich grad mal 15 gewesen, komm ich ins Wohnzimmer und da sitzt der Vater tot in seinem Sessel, die Flaschen mit den Sechsämtertropfen am Tischchen und die Schachtel Ernte 23 daneben. Erst hab ich ja garnix gemerkt und hab Guten Morgen gesagt, aber dann ...

Der Mann an der Tankstelle hat hinterher gesagt ich war ganz weiß im Gesicht, schon bevor ich die Schnäpse reingekippt hab. Konnte ihm nicht sagen warum, ich war völlig daneben. Sigi war grad im Knast und nun auch noch der Vater tot. 

Es ist ihm schon lang nicht mehr gut gegangen, zuletzt hatte er als Wachmann gearbeitet. Eines Tages hat ihn einer auf der Flucht die Treppen hinuntergestoßen, davon hat er sich nie mehr erholt. Die Freunde von Sigi haben ihn in seiner eigenen Wohnung verhöhnt wenn er was gesagt hat wegen der Musik, oder weil sie so einen Dreck gemacht haben, überall hingepinkelt wenn sie im Rausch das Klo nicht gefunden haben und so. Ich glaub er hat nur noch durchgehalten bis ich volljährig bin damit ich nicht ins Heim komm.

Naja, jetzt geh ich aber mal, sonst geh ich nicht mehr. Wenn Marie mich morgen fragt, will ich zumindest sagen können, daß ich's probiert hab.

Wie ich zu den Feuern komme, seh ich Bruno ganz alleine dahocken, ich glaub ich setze mich zu ihm. Wir haben ja neulich schon einmal einen Streifengang miteinander gemacht, Bruno ist ein prima Kerl. Erinnert mich ein bissl an mich als ich jung war, nur daß ich schon immer so dünn war und ein prima Läufer. 

'Hallo Bruno, is da no a Platzerl frei?', scherze ich und er rückt bereitwillig zur Seite und lacht mich freundlich an. 'Servus Xampi, lustig warst heut wieder in der Schule, aber sag mal, stimmt das wirklich alles, was du uns da immer so erzählst? Ich mein, daß du und dein Bruder die Möbel in eurer Wohnung verheizt habt zum Beispiel?'

'Klar. Weißt wir waren damals ständig auf Trip, also der Sigi sowieso und ich hab mich nimmer spürn wollen wie mein Vater gestorben war, irgendwie war mir alles wurscht, ich hab das lustig gefunden und die lieben Verwandten haben eh rausgetragen was geht, also, haben wir uns gesagt, können wir's genausogut verheizen.'

'Versteh ich. Wie meine Eltern damals den Unfall hatten, das war arg. Ich hab immer gedacht das ist alles nicht wahr, ich träum das nur und bald wach ich auf und alles ist wieder so wie vorher. Aber ich schlaf irgendwie immer noch ... und im Heim hab ich es nicht ausgehalten, mit den anderen ... egal, ich will nicht drüber reden.'

'Paßt schon, ich kenn das aus dem Knast. Nur hab ich dort immer welche gekannt, Kumpels von meinem Bruder, die haben mich beschützt. Aber wenn du niemanden hast ... Scheiße, Mann.'

'Ja, echt Scheiße.'

Brütend starren wir in die Flammen, ich überleg grad ob ich mir eine Tasse von dem frisch gebrühten Kräutertee holen soll den Heinz jeden Abend für die Gemeinschaft bereitstellen läßt, da plumpst neben mir einer auf den Boden und murmelt: 'Abend miteinander, paßt eh wenn ich mich da hersetz?'

Charlie! War er doch gekommen! Und ich hatte schon fast gehofft ...
'Ja Mann, klar, äh, hi! Freut mich!'
Mist, ich hör mich an wie eine Jungfrau bei der Tanzstunde.

'Ich wollt mir grad einen Tee holen, wollt ihr auch einen?'
Bruno nickt stumm, Charlie mustert mich forschend und meint: 'Wenn du schon unterwegs bist ...'

Irgendwie sieht er so aus, als ob ihm ein Bier auch lieber wäre, und er nur uns zuliebe keins trinkt, das wirkt irgendwie ungemütlich, aber am Feuer sollen wir eh nix trinken solange die Kinder noch dabei sind, hat Marie mal gesagt. So fällt es mir auch leichter zu verzichten, aber das Reden wird davon nicht einfacher und so schweigen wir uns gegenseitig an, bis Bruno zu gähnen anfängt und sich verabschiedet.

'So', meint Charlie, 'nun sind wir doch einmal unter uns. Sag, sollen wir nicht zu mir gehen und uns ein Bierchen genehmigen? Ganz ehrlich, der Tee ist ja lieb gemeint, aber so wirklich froh macht mich der nicht.'

Eigentlich wundere ich mich ja, daß er noch mit mir redet, besonders gesprächig war ich wirklich nicht heute, also bin ich eh nie aber heute ganz besonders nicht. Irgendwie schüchtert er mich ein, und ich war ja nun wirklich schon mit harten Jungs zusammen gewesen. Aber er hat sowas Edles, bei ihm ist alles echt. Der muß keinen auf Heavy machen. Der ist es. Original.

'Du, ganz ehrlich, tät ich total gern, also mit dir ein Bier und so, aber ich hab mir vorgenommen, daß ich nix mehr trink. Zumindest eine Zeitlang. Ich rauch lieber. Du auch, vielleicht? Ich könnt uns einen bauen wennst magst?'

Kurz drauf hocken wir bei mir in der Bude, ich brösel auf und Charlie guckt mich ernst an: 'Du Xampi, ist das alles was du noch hast? Ich mag dir jetzt nicht dein letztes Piece wegrauchen.'
'Paßt schon Charlie. Du bist echt korrekt und, ja, klingt vielleicht blöd aber es wär mir eine Ehre, wenn ich es mit dir teilen dürfte.'

'Xampi, ich muß dir was sagen. Bisher hab ich dich ja nur so am Rande wahrgenommen, und das wär auch so geblieben wenn Maria mich nicht dazu aufgefordert hätte, mal mit dir zu reden. Also es war kein Zufall, daß wir uns heute getroffen haben. Aber jetzt wo ich dich kennengelernt hab ... ich bin kein Mann vieler Worte, genausowenig wie du, aber es freut mich. Du bist eine ehrliche Haut, das ist selten. Bist ein guter Kerl. Ich mag dich.'

Hinterher, als er weg war, hab ich nicht nur vom Rauchen so breit gegrinst. Charlie und ich haben uns noch prima unterhalten, ich hatte das mit dem Bahöö wegen dem Neuen nur so am Rande mitbekommen, aber es wird natürlich geredet. Also, daß der Helli ne Knarre mithatte zum Beispiel. So sind wir auf Waffen zu sprechen gekommen und ich glaub sein Respekt vor mir ist noch gestiegen wie er gemerkt hat, daß ich kein tappertes Weh bin das nur von Indien träumt und immer die zweite Backe hinhält, sondern daß ich schon auch was erlebt hab und mich durchaus behaupten kann. Wenn's sein muß. Und es mir nur lieber ist, es muß nicht.

Er hat gemeint morgen gehen wir mal zum Heinz und fragen, ob wir uns was anbauen dürfen und ob er Samen dahat, sonst würd er welche besorgen. Weil das Rauchen wär ja allemal gesünder als der Alkohol, der uns beiden nicht guttut. Er wüßt wo man diese Lampen herbekommt, mit denen das Gras besser wächst. Ich freu mich so!











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