Sonntag, 27. Juli 2025

A g'schissene Sauerei


''Bald wird es wieder soweit sein,'' seufzte Gwerzoff leise. ''Sie werden überall riesige Kästen aufbauen aus denen laute Mißtöne erklingen und zu denen sie den schönen Waldboden zertrampeln und es 'tanzen' nennen. Gröhlen werden sie und ihr stinkendes Gebräu überall verschütten. Die armen Tiere werden mit zugehaltenen Ohren flüchten müssen und ihre Heimat wird danach noch wochenlang unbewohnbar sein weil alles voller Dreck und Scherben ist, die wir Zwerge mühsam nach und nach aufklauben müssen. Warum können diese Leute sich nicht auf ihre Lärmtempel in der Stadt beschränken? Wieso müssen sie ihr 'Festival' jeden Sommer bei uns im Wald abhalten? Ich begreife es nicht.''

''Wenn sie wenigstens Freude daran hätten,'' warf Sensidor ein. Aber sie müssen sich ja betrinken dabei bis sie blau sind wie ein Veilchen. Wieso sagt man eigentlich blau wie ein Veilchen? Veilchen sind violett. Warum sagt man nicht kornblumenblau? Das gefiele mir viel besser. Die Menschen sind dumm und abends sind sie alle kornblumenblau. Genau.''

Das Geräusch von Vogelflügeln im Wind unterbrach die düstere Unterhaltung und im nächsten Moment ließ sich Ethel die Eule zwischen den beiden auf dem Boden nieder.
''No Burschen, ned gut drauf? Hobt's kaan Kaffee kriagt oder was is los?''

Traurig berichteten Gwerzoff und Sensidor von ihren Gefühlen bezüglich des bevorstehenden Festivals. Gefühle, denen sich Ethel vorbehaltslos anschließen konnte. ''A g'schissene Sauerei is des!'', war ihr Kommentar dazu.

''Die Freiheit des einen endet dort, wo die des anderen beginnt.'', dozierte sie. ''Soviel sollte eigentlich klar sein. Das Problem ist nur, daß die Menschen von den meisten Waldbewohnern nichts wissen und daß sie die Tiere, von denen sie durchaus wissen, als absolut minderwertige Kreaturen ansehen. Die gerade noch als Fotomotiv geduldet werden oder wenn sie ihnen Nahrung besorgen oder gar selbst als solche herhalten sollen. Unter welchen Umständen diese armen Nahrungsmittel ihr mühevolles Leben fristen müssen, ist ihnen auch wurscht. Hauptsache billig, gell. Ab und an geht einmal einer von denen hohen Herren her, quatscht medienwirksam daher aber ändern tun die neuen Gesetze auch nix, es wird alles nur halbherzig verschlimmbessert!''

''Wow Ethel, du kannst ja richtige Reden halten!'' Sensidor sah bewundernd zu der Eule hinüber. Diese schüttelte bescheiden ihr Gefieder. ''Wer kann der kann. Aber g'scheit daherlabern hilft halt auch nix. Tun müß mer was. Aber was? Burschen, wir machen ein brainstorming! Frogts ned, duats einfach die Unterbergener Botenzwerge losschicken, mir treffen uns heute Abend hier. Unter der Linde. Und dann schaug mer amal.''

Gesagt getan. Pünktlich zum Einbruch der Dämmerung kamen immer mehr Waldbewohner zur alten Linde gekrochen, geflogen, gewandert oder gehumpelt. Gehumpelt? Besorgt blickte man Ethel entgegen, die sich in ihrer ursprünglichen Gestalt als alte faltige Zauberin nur mühsam fortbewegen konnte.

''Ja was ist denn mit dir passiert Ethel?'', rief ihr Sensidor erschrocken zu. ''Bist unter die Räuber gefallen?''

''Ah geh,'' winkte Ethel ab. ''Mein Teppich daheim hat so traurig ausgesehen, da hab ich ihn ein bissl umarmt. Muhahaa. Des werd scho wieder. Wichtig ist jetzt, daß wir uns zammsetzen und uns was überlegen. Wie wollen wir vorgehen. Wollen wir bereits den Aufbau verhindern, was mit vereinten Kräften gelingen könnte, aber die Leute nicht daran hindern wird, es wieder und wieder zu versuchen. Oder wollen wir das Fest selber ein bissl umgestalten, dahingehend, daß es den Leuten für immer vergehen wird, hier in unserem Wald so laut feiern zu wollen? Wär meiner Ansicht nach zielführender.''

''Fest umgestalten, jaaaa, wir zeigen es ihnen, wir mixen ihnen was in ihr Gebräu, wir machen die Musik schrill und quietschig, wir hauen sie, wir prügeln die Band vom Podest, wir ...''
''HALT Kinder, so geht es nicht. Keine Gewalt und keine bleibenden Schäden. Wir möchten die Leute doch zum Umdenken bewegen und keine Gewalt anwenden, denn diese wird erfahrungsgemäß mit Gegengewalt beantwortet und das wollen wir nicht.''

Als sie dasaßen, brüteten und überlegten, bis ihnen die Schweißperlen auf die Stirn traten, drang aus der Ferne immer lauter werdendes Gelächter in ihr Bewußtsein.
Wer vergnügte sich denn da so ungeniert, während sie sich Gedanken um den Frieden im Walde machten?
Flirrende Luft kündigte eine Elfengestalt an die, von einem älteren Herrn gefolgt, ungeniert auf die Lichtung getänzelt kam. Strenge Blicke aus dem Kreis der Aktivisten ließen sie innehalten.
''Was schaugts denn so? Hab ich euch was getan?''
''Hast du nix mitkriegt? Heute, hier, Treffen und so? Wir überlegen uns hier das Hirn zu Matsch und Madame tänzelt saumselig durch den Wald und tut mit dem alten Peter umeinanderflirten.''

''Heeeeeey, wer ist hier alt!'' Gekränkt trat Peter, ehemals Darfnix genannt (bis er sich eines Tages endlich gegen seine Frau zur Wehr setzte), in den Kreis der Selbstgerechten. Und ja, wir haben eine Nachricht bekommen, und deswegen sind wir hier. Ethel kann fraglos prima zaubern, aber wenn ich meine Zauberkräfte auch noch in die Waagschale werfe, dann kann nicht mehr viel schiefgehen. Schließlich war ich mal Ingenieur, da lernt man, planvoll und effektiv vorzugehen.''

''Was schlägst du also vor, ehrwürdiger Greis,'' spottete Gwerzoff, der für seine frechen Sprüche waldweit bekannt war.
''Ich schlage vor, daß wir die Leute ihre Boxen, ihre Bühne, ihre Getränkestände und was noch alles in Ruhe aufbauen lassen, und dann, wenn sie loslegen wollen, dann treten wir in Aktion. Ich hab mit Dana hier schon einen prima Plan ausgearbeitet.'' Dana lief rot an und kicherte verschämt. Die Zwerge grinsten sich eins und der Rest der Gemeinschaft enthielt sich würdevoll eines Kommentars.

Bald darauf war der große Tag gekommen. Die riesigen Lautsprecher waren aufgebaut und auch sonst same procedure as every year. Doch dieses Mal wartete auf die feierwütige Menge eine Überraschung, mit der sie sicherlich nicht gerechnet hatten.
Dümmlich grinsend und sich gegenseitig schubsend, blöde kichernd und fast alle mit mindestens einem Auge am Handy klebend, eierten die offenbar bereits nicht mehr ganz nüchternen Gäste nach und nach aufs Gelände.

''Was für eine saublöde Meute,'' schimpfte Gwerzoff. ''Die werden sich bald umschauen, hehe. Meine Psychologin meinte neulich, ich sei den Menschen nur neidig weil die sich zusammen amüsieren und ich immer alleine sei. So ein Humbug. Hier im Wald ist niemand alleine, wir sind alle untereinander verbunden.''

''Quod erat demonstrandum Burschen! Geh ma's an!'', gab Ethel das Kommando und schon rauschten gefühlt Tausende von Krähen dicht über den Köpfen der meist jungen Leute hinweg. Diese hielten den Vogelschwarm für eine Showeinlage und kreischten begeistert. Was sich jedoch schlagartig änderte, als die Tauben ihrerseits eine Runde drehten und zielgenau in die 'Jubeldrinks' (so stand es am Kiosk geschrieben) der Störenfriede ihren Darm entleerten. Hei war das ein Spaß! Fanden die Feiernden jetzt so garnicht und schütteten angeekelt ihre Getränke in hohem Bogen auf den Boden.

''Dreckssauerei!'', schimpfte Ethel, ''Zeit für die nächste Stufe!''
Schon knackste es in den Boxen und eine schauerliche Stimme ertönte, untermalt von Geräuschen die an das Knarren eines sich langsam schließenden Sargdeckels gemahnten:  ''Hört gut zu, ihr saudummes Pack. Wie würde es euch gefallen, wenn wir euch jetzt einsperren würden, mästen und dann schlachten? Weil wir Bock auf den ultimativen Snack haben? Homo toastiensis? Oder Steckerldepp? Während eures nur noch kurzen Lebens müßtet ihr die ganze Zeit in eurer eigenen Scheiße stehen und dürftet euch niemals hinlegen, geschweige denn richtig ausstrecken. Tolle Aussichten, oder? Und wer jetzt denkt, wir seien aber außerordentliche Sadisten und wer macht denn sowas ... dann schauts euch mal in den Spiegel ihr Penner.
IHR macht das. Ständig. Jeder von euch der im Disconter Fleisch oder Milchprodukte einkauft macht das. Ohne darüber nachzudenken macht ihr das. Schämt euch!!!''

Mittlerweile wimmelte das Gelände von ziellos herumirrenden Security-Mitarbeitern, die verzweifelt nach den Übeltätern fahndeten, die die Anlage in ihre Gewalt gebracht hatten. Doch an den Kabeln und Anschlüssen war alles in Ordnung, die Techniker waren ratlos und die Menge starr vor Entsetzen. Den meisten war die Lust auf Tanzen vergangen, das sah man ihnen sogar aus der Weite an. Doch Peter und Ethel hatten noch einen draufzusetzen.

Der Zaun, der das Gelände vom Wald abgrenzte, begann auf einmal bunt zu flimmern. Was zunächst cool aussah in der einsetzenden Dämmerung, versetzte die Meute in pure Panik als sie bemerkten, daß sich der Flimmerzaun immer mehr und mehr zusammenzog, immer näher rückte, und eine verdammte Hitze ausstrahlte.
Kopflos stürmten die Leute Richtung Ausgang. Drängten sich, schubsten sich, rücksichtslos und um ihre Leben fürchtend. 

''Scheiße,'' fluchte Ethel. ''Wir wollten keine Massenpanik. Nicht daß diese Hohlbirnen sich noch gegenseitig tottrampeln.''
Der Zaun stoppte seine Bewegung, hörte auf zu flimmern und aus dem Lautsprecher erklang beruhigende Musik. Darüber eine sanfte Stimme: ''Nicht drängeln, es wird euch nichts passieren, dies war nur ein kleiner Denkanstoß. So fühlen sich die armen Tiere, wenn sie eingesperrt und mißhandelt werden. Bevor sie zum Schlachter geführt werden. Glaubt ihr, die merken das nicht? Wir sind doch nicht bescheuert! Grüße aus dem Wald ihr kopflosen Kreaturen. Und vielen Dank, daß ihr euren Dreck und euren ganzen Kram wieder mitnehmt! Dieses Mal bitte für immer!!! Bussi baba!''

In der Zeitung stand kein Wort darüber. Lediglich eine kleine Notiz, daß das Ultimative Super-Sommer-Waldfestival dieses Jahr aufgrund technischer Mängel leider abgesagt werden mußte.
''Immerhin!'', stellte Peter zufrieden fest. ''Immerhin sind sie kommentarlos wieder abgezogen und haben ihren Krempel am nächsten Tag wieder abgebaut. Nun bleibt zu hoffen, daß unsere Worte auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Darauf wetten würde ich nicht, aber wer nicht kämpft hat schon verloren. So, und wo ist jetzt meine kleine Elfe, ja wo ist sie denn??'' Kreischend vor Vergnügen rannte Dana direkt hinein in den dunklen Wald, Peter mit wehendem Mantel dicht hinter ihr her.

''Manche Dinge ändern sich nie ...'', murmelte Ethel vor sich hin, verwandelte sich wieder in eine Eule und flog schnurstracks zum Häuschen von Skodefix. Ihn einmal wieder an das Bücherregal zu erinnern, das er ihr vor 123 Jahren versprochen aber noch immer nicht zusammengenagelt hatte. Wie gesagt, manche Dinge ändern sich einfach nie.













 

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