Freitag, 11. Juli 2025

Die eiskalte Dusche


Nie mehr werde ich ins Nordbad gehen. Dort kann und möchte ich mich nun nicht mehr blicken lassen nach dem was heute passiert ist. Mein Herz ist gebrochen und blamiert hab ich mich obendrein bis auf die Knochen. Wie peinlich kann man denn sein, in meinem Alter noch auf einen Flirt zu hoffen oder gar auf mehr? 

Eigentlich mag ich öffentliche Schwimmbäder nicht, weil es mir dort zu laut ist. Bekannte raten mir immer wieder, doch stattdessen im See zu schwimmen, doch erstens sind die Münchner Seen nicht weniger überlaufen und zweitens fühle ich mich im Schwimmbad einfach sicherer. Vor Dieben und auch eventuellen Unfällen. In einem ordentlichen Bad hat es einen vernünftigen Boden, keinen pieksigen Kies oder gar Scherben. Man kann seine Sachen wegsperren und im Fall eines Sommergewitters wird man, so hoffe ich jedenfalls, rechtzeitig gewarnt. Natürlich muß man aufpassen, daß einen die ubiquitären Wepsen nicht stechen, aber bisher hab ich es noch immer geschafft, den Feind rechtzeitig zu erspähen.

Etwa dreimal die Woche ging ich daher gleich in der Früh ins Nordbad zum Schwimmen. Im Außenbecken, weil da das Wasser angenehm temperiert ist. Drinnen im großen Becken ist es richtig kalt, das macht keinen Spaß.

In den Morgenstunden sind noch keine schreienden Kinder und Jugendlichen im Bad, dann ist es dort meist richtig angenehm. Spät am Abend wäre es vielleicht auch nicht schlecht, in der Dämmerung, wenn die Scheinwerfer leuchten und das warme Wasser hübsch dampft. Aber am Abend bin ich müde, da gehe ich nirgendwohin.

Also schob ich mich frühmorgens, gleich nach dem Öffnen, zusammen mit den anderen Wartenden durch die enge Eingangstüre und machte mich auf die Suche nach einem Kleiderbügel. Aus irgendwelchen mir unverständlichen Gründen waren diese stets Mangelware.

Die meisten Besucher verschwanden glücklicherweise sofort in der Sauna oder im Fitneßkeller, doch einige wenige präferierten wie ich das Außenbecken und die eine oder andere besonders skurrile Gestalt erregte immer wieder aufs Neue meine Aufmerksamkeit.

Da hätten wir beispielsweise 'The German'. Den nannte ich so weil er erstens diesen Adler auf der rechten Schulter tätowiert hatte (sah man immer wenn er einen überholte) und zweitens weil er während meiner gesamten Schwimmzeit wie aufgezogen im äußeren Ring des Beckens immer rundherum marschierte und sich von nichts und niemandem aufhalten ließ.
Er trug eine blaue Badekappe so daß man ihn bereits von Weitem erkannte, und sogar die ewig nervende Partie Damen, die gerne mal die äußere Bahn verstopften weil sie sich vor lauter Gackern und Wiehern nur langsam vorwärtsbewegten, konnten ihm nicht standhalten. Die weichen ja grundsätzlich niemandem aus, aber wenn The German kam, dann traten selbst sie zur Seite und ich nutzte gerne die Lücke, um mich hinter ihm ebenfalls rasch durchzuquetschen.

Dann war da der 'Knoblauchmeister'. Ein kleines dürres Männchen mit einem wie ins Gesicht geschnitzten manischen Grinsen, der stets infernalisch nach Knoblauch stank. Auch er marschierte gerne den äußeren Ring ab, aber sobald die Schwallduschen am Beckenrand angingen, stellte er sich drunter und tanzte wie der Bi-Ba-Butzemann immer im Kreis herum und klatschte dazu in die Hände.

Gerne sah ich auch der 'Tänzerin' zu wie sie, trotz ihres weit fortgeschrittenen Alters, noch immer einen Fuß in die Hand nehmen und schräg nach oben ganz ausstrecken konnte. Früher hatte sie tatsächlich professionell Ballett getanzt und suchte stets jemanden, der sie noch nicht kannte, und dem sie von früher erzählen konnte. Als sie noch jemand war. Jemand, der von anderen berühmten Menschen umschwärmt, hofiert und bewundert wurde.

Besonders albern fand ich die 'Millionärin', die zwanghaft jedem um sich herum von ihren tollen Urlaubsreisen in die ganze Welt erzählen mußte, wobei sie die Hotelzimmer genau beschrieb und an allem etwas auszusetzen hatte.

Einer der Stammgäste sah aus wie Paul Eschbach, ein anderer wie Bruce Willis. Den mochte ich am liebsten. Richtig fesch war der, und diese tollen Muskeln! Ein wirklich ästhetisch gebauter Mann. Der einzige weit und breit. Eine Augenweide. Ein Mann zum Verlieben.

So schwamm ich Runde um Runde im angenehm warmen Wasser, sah mir die Leute an und genoß den periodisch wiederkehrenden 'Strudel' der alle 20 Minuten im äußeren Ring kursierte, wenn Düsen das Wasser dort kräftig in Bewegung versetzten. Innerlich jubelnd ließ ich mich von der Strömung mitreißen und juhuuuuuuuuuuu am Ende von der Welle hinaustragen und dann dasselbe gleich wieder von vorne. Das funktionierte natürlich nur, wenn einem niemand vor der Nase herumtrödelte. Die Strömung im 'Strudel' war schon ziemlich heftig und es war nicht einfach, sich dann einzubremsen um eine Kollision zu verhindern. 

Als heute morgen gegen halb neun auf einmal eine schwarz behoste Gestalt direkt vor mir auftauchte, geriet ich heftig ins Rudern und wäre fast mit dem Kopf gegen die Einfriedung geknallt, hätte mich nicht im letzten Moment jemand am Arm gepackt und aus der Gefahrenzone in Richtung Sprudelliegen gezogen. Heftig schnaufend sah ich zu meinem Retter auf um ihm zu danken. Oh nein, es war 'Bruce Willis', mein heimlicher Schwarm! Mit einem sexy Grinsen beugte er sich zu mir herüber, mir wurde schwindelig vor Glück. Hatte ich es doch endlich geschafft, seine Aufmerksamkeit zu erregen? Voller Vorfreude fuhr ich mir mit der Zunge über die Lippen, doch was er dann von sich gab war die brutalste kalte Dusche die ich je erfahren hatte:

''Hören Sie gute Frau, meinen Sie nicht, Sie wären im Nichtschwimmerbereich bei den anderen älteren Herrschaften besser aufgehoben? In den Strudel sollten sich nur wirklich gute Schwimmer begeben. Sie dagegen scheinen mir nicht mehr besonders sicher auf den Beinen zu sein.''






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