Sonntag, 8. März 2020

Anton Teil 2

Am nächsten Tag bastelte Anton den ganzen Tag an einem Brief rum - er konnte Briefeschreiben nicht ausstehen und schrieb nur in äußersten Notfällen einen, so wie jetzt eben - den er dann abends stolz seiner Vermieterin vorlas:

Lieber Metzger.
Es tut mir sehr leid, daß ich Ihnen damals soviele Schinken gestohlen habe, ich würd sie Ihnen jetzt gerne zurückgeben aber sie sind halt schon weg. Mein alter Bekannter, der mich damals immer angestiftet hat, brachte mir gestern ein Geschenk für Sie mit, das ich Ihnen gerne bringen würde, aber Sie müssen vorher Ihren Hund wegsperren sonst trau ich mich nicht klingeln.
Mit vorzüglicher Hochachtung,
Ihr Anton Fieselmaier

''Hm'', machte Miranda. Nach der Anrede kommt kein Punkt und der Schluß ist reichlich altmodisch. Da sieht man wieder mal, wie lange du schon nix mehr geschrieben hast – aber sonst: Echt nicht schlecht. Jetzt, Frage: Wie willst du den Brief in seinen Briefkasten kriegen wenn du dich nicht zu klingeln traust? Die Briefkästen sind doch innen.''
''Öhm, mit der Post?''
''Mit der Post? Bist deppat? Des kost a Lawine und bis der Brief ankommt wohnt da drüben der Enkel und dem is des olles Blunzn!''

''Naa'', blökte Anton auf bayerisch, ''ned bei uns in Deutschland. Da is ned so teuer und ankommen tut's auch. Meistens. Also fast immer.''
''Und wenn ned?''
''Ja was soll ich denn machen? Den Hund erschießen und die Tür eintreten? Ihr könnz mi doch alle mal! Mir langts! Was'n no? Etzt hab I so an schönen Brief g'schriebn + will mi entschuldigen für alles und es is no ned recht und immer wird g'schimpft. I mog nimma! Es könnts mi alle!''
''Der einzige der hier schimpft bist du. Wieder mal typisch! Zu keinerlei Diskurs bereit + gleich lostoben. Bayern!!!''

Etwa eine halbe Stunde später sah man eine wütende Miranda mit dem Brief in der Hand zum gegenüberliegenden Häuserblock traben während Anton wieder mal am Balkon stand, heulend sein Popscherl rieb und die Ungerechtigkeit der Welt beklagte.

Jetzt war es so, daß der Metzger ja nicht einfach den Brief gelesen, Anton zu sich eingeladen und großmütig die Entschuldigung und das Geschenk entgegengenommen hätte. Nee. Dann wäre ja alles gut und die Geschichte somit zuende. Vielmehr hat der Metzger den Brief zwar gelesen aber dann eine Wut gekriegt. Bisher hatte er Anton für einen zwar wehleidigen aber doch immerhin bösen Schwerverbrecher gehalten, vor dem man Angst haben muß, und so war er sich mutig und stark vorgekommen indem daß er ihm nicht nur einen Drohbrief geschrieben sondern ihm diesen auch noch ins Ohr gepfeilt hatte als er Anton wieder am Balkon wehklagen sah. Nun jedoch, nach Erhalt des kleinlauten Entschuldigungsschreibens von Anton, kam der Metzger sich nicht mehr mutig vor sondern fühlte sich ausgesprochen dämlich. Und weil keiner sich gerne dämlich fühlt wurde er wütend. Auf Anton. Wen sonst. Also setzte er sich an seinen Küchentisch und überlegte. So ein Küchentisch ist überhaupt der allerbeste Ort um zu überlegen. Es soll ja Leute geben, die am liebsten am Klo überlegen, aber wer hat schon Wein und Kekse am Klo? Eben. In einer Küche dagegen befinden sich außer einem Tisch auch stets Wein und Kekse, womit alle Voraussetzungen für genußvolles Überlegen gegeben sind. Jetzt kommt es aber natürlich sehr auf den Wein (und die Kekse) an, ob die Überlegungen, die man am Küchentisch so anstellt, auch zielführend sind. In dieser Hinsicht war der Metzger gut aufgestellt, denn er war ein Genießer und trank nur guten Wein. Wenn sich Anton und Zagreb damals nicht ausschließlich auf seinen Schinken spezialisiert hätten, wären sie damals bereits fündig geworden, wären sie nur eine  Türe weitergegangen. 

Nachdem er also drei Achterl von seinem guten Wein getrunken hatte, kam der Metzger auf die Idee, Anton zu einem Fest einzuladen und ihm dort seine Rache angedeihen zu lassen. Inmitten seiner Freunde fühlte sich der Metzger stark denn, zugegeben, ein bissl Angst hatte er doch noch vor Anton, und der Hund würde ja beim Fest nicht dabeisein können.

''Was hat er dich?'' fragte Miranda ungläubig am nächsten Tag, als Anton ihr seine Einladung zum Gartenfest des Metzgers vor die Nase hielt.
''Zu seinem Gartenfest hat er mich eingeladen'', wiederholte Anton stolz. ''Hättst ned denkt, ha?''
''Noja, I waß ned, bist sicher doß des ka Foin is?''
''Bitte was?''
''Eine Falle, heast.''
''Eine Falle! Freilich! Klar! Bist grantig weil er dich ned mit eing'ladn hat und schon mußt es mir wieder kaputtreden. Des is SO typisch, echt!!!''

Kurz darauf hörte Miranda, die sich mit einem Buch in ihr Zimmer geflüchtet hatte, wie draußen vor dem offenen Fenster ein Kind auflachte und rief:
''Schau mal Papi! Da steht ein erwachsener Mann am Balkon und flucht ganz laut! Wieso darf der das und ich nicht???''

Das Fest war offensichtlich ein Erfolg. Zufrieden und mit angepapptem Dauergrinsen schlängelte sich der Metzger zwischen den lachenden, zwischendurch aufkreischenden und allenorts begeistert aufeinander einredenden Gästegruppierungen hindurch, immer wieder leutselig nickend, jedoch stets darauf bedacht, Anton am Rande seiner Peripherie zu behalten. Was nicht weiter schwierig war. Als Anton vor seiner Türe gestanden hatte - erst mußte er ihn hinter einem riesigen Blumenstrauß hervorholen, für die gnädige Frau, ein weiteres Ärgernis denn der Metzger, nach wie vor unbeweibt, fühlte sich verhöhnt – mußte der Metzger sofort an diesen Film mit Eric Idle denken, an die Szene wo Eric auf ein Fest kommt, ein Bettlaken um die Schultern geschlungen, der einzige Europäer unter lauter Indern, und der Gastgeber empfiehlt ihm freundlich 'to mingle', also sich unauffällig unter die Gäste zu mischen. Jetzt hatte Anton beileibe kein Bettlaken um die Schultern geschlungen und die Gäste waren auch keine Inder – dennoch hob er sich  von der Masse der übrigen Anwesenden auf eine unheimliche Weise ab und man konnte nicht einmal sagen woran das lag. Er war sauber angezogen, frisch rasiert, er trug geputzte Schuhe und bemühte sich, freundlich dreinzuschauen. Und dennoch ...

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