Sonntag, 13. August 2017

Anton Teil 1



Als Anton Fieselmaier noch ein Knabe war, wurde er von einem mysteriösen Weltraumfahrer gerne für Einbrüche benützt weil er so dünn war. Solcherart wurde er mehrmals durch ein Kellerfenster gesteckt um geräucherte Wurstwaren zu stehlen welche hernach um einen Schleuderpreis an Wirte in der Umgebung verhökert wurden. Anton Fieselmaier bekam für seine Mühen lediglich hier und da ein Freibier und am Ende vom Weltraumforscher noch ein paar gewaltige Ohrfeigen angedroht als ihm die letzte Ladung Schinken, zuvor mühsam des Nachts quer durch die holperige Altstadt gekarrt, verlustig ging indem daß heimtückische Mitbewohner ihn hinterrücks bestahlen. 

Es gelang ihm zwar, den Weltraumforscher von seiner Unschuld zu überzeugen, jedoch mußte er alsbald erneut mit jenem in einen anderen Keller einbrechen um dort eine kaiserlich-göttliche Weinexpertise vorzunehmen. Ein zufällig im Keller ihre Wege kreuzender Hausbewohner wurde kurzerhand in einen Nebenraum gesperrt. Diese Begegnung war ganz schlecht für Herrn Fieselmaiers Nerven, die bereits in seiner Jugend nicht die besten waren, aber man muß Prioritäten setzen und das Wichtigste war jetzt nun einmal, den Weltraumforscher bei Laune zu halten was kurze Zeit später dann auch kein Problem mehr war weil der Weinkeller sich als außergewöhnlich gut bestückt erwies. Da war nix mit niedertückischem Rheinfiesling in Bestpreislage, nee nee, jeder Schluck aus den vorgefundenen  Flaschen war gut seine 1000 Mark wert – was den gestörten Weltraumforscher jedoch nicht daran hinderte, so manche Flasche mit einem kurzen ''Das schmeckt Scheiße!'' verächtlich beiseitezustellen und und die nächste zu öffnen. Gut betankt zog man schlußendlich mit, aus rein logistischen Gründen, nur wenigen erbeuteten Flaschen von dannen.

In späteren Jahren bezog Anton Fieselmaier nach durchlittener Trennung von seiner geliebten Ehefrau ein Untermietszimmer bei einer befreundeten Künstlerin welche ihm ihr Atelier zur Verfügung stellte und seither keine Bilder mehr malen konnte weil ihr die ständigen Schmerzenslaute Herrn Fieselmaiers auf's empfindliche Gemüt schlugen.

Eines Tages stand Herr Fieselmaier wieder einmal am Balkon und wehklagte lauthals in die Landschaft unter ihm, als ihn unvermittelt ein Pfeil am Ohr traf. ''Ei Pardauz!'', dachte Herr Fieselmaier, ''was hat das zu bedeuten?''. Als er sich den Pfeil aus dem Ohr gebastelt hatte, nicht ohne einen Satz weiterer inbrünstiger Klagen abzusondern, fand er einen Zettel an den Pfeilschaft geklebt auf dem folgendes geschrieben stand:

Paß auf du miese kleine Ratte! Du hast mir damals wieder und wieder meinen Keller mit dem Geräucherten ausgeraubt. Gut. Ok. Was will  man machen. ABER JETZT IST SCHLUSS! Wenn ich dich auch nur ein EINZIGES Mal auf meinem Grundstück erwische dann darfst du meinem Bernhardiner eigenhändig die Serviette umbinden bevor ich dich ihm als Festmahl kredenze, VERSTANDEN?

Verwirrt blickte Herr Fieselmaier nach unten. Auf der gegenüberliegenden Seite, hinter dem Parkplatz, befand sich ein Schrebergartengrundstück in dem sich in der Tat ein pferdegroßer Bernhardiner ausgelassen tummelte und zwischenhinein, so erschien es Herrn Fieselmaier, spitzbübisch zu ihm nach oben schielte.
''Mein Gott!'', dachte Herr Fieselmaier erschüttert, ''sollte ich mich tatsächlich ausgerechnet gegenüber dem alten Räuchermeister niedergelassen haben?''

Versonnen befingerte er den Pfeilschaft und dachte angestrengt nach, eine Tätigkeit die all seine Sinne beanspruchte, so daß er den kleinen dunklen Fleck am Horizont nicht bemerkte, auch nicht, daß dieser unaufhaltsam zu wachsen schien. Irgend etwas kam dort oben näher und näher, und noch immer hatte Herr Fieselmaier nichts bemerkt. Erst als dicht neben seinem malträtierten Ohr eine blecherne Stimme ertönte ''Anton! Anton! Ich grüße dich! Du bist alt geworden!'', schreckte er auf. Über ihm hing ein riesiger Waschkessel und über den Rand beugte sich sein alter Freund der Weltraumforscher, und grinste über beide Backen vor Wiedersehensfreude. 

''Di-da-da-du-du bist doch tot!!!'' stotterte Anton verwirrt.
''Woher denn'', widersprach der Weltraumforscher heftig, ''ich habe gesagt ich komme wieder, du weißt das Anton! Warum starrst du denn immerzu da runter? Wolltest du etwa springen? Das mögen die Götter aber garnicht, du weißt das Anton!''

''Ach Blödsinn!'', entgegnete Anton verwirrt und aufgebracht angesichts solcher selbst für seine Verhältnisse beleidigende Unterstellung. ''Ich hab soeben festgestellt, daß dort drüben der Metzger wohnt dem wir damals immer die Schinken gestohlen haben und jetzt steh ich da mit'm Loch im Ohr und der Hund schaut blöd rauf und dabei wollte ich ihn doch nicht bestehlen, ich hab doch nicht einmal gewußt, daß er hier seine  Vorratskammer hat!'' beendete Anton seine weinerliche Rede. 

Der Weltraumforscher räusperte sich: ''Soll ich ihm einen Denkzettel erteilen? Dies ist das Raumschiff meines Vaters, Anton, du weißt das. Ich mache ihn platt!''
''Nein, nein!'' rief Anton beschwichtigend, ''nicht platt machen, im Gegenteil, vielleicht sollte ich mich entschuldigen für damals, immerhin sind wir jetzt Nachbarn, da sollte man doch für ein gutes Verhältnis sorgen, sozusagen …''
''Du bist alt geworden, Anton'', bemerkte der Weltraumforscher, dessen Name im übrigen Zagreb Echtholz war, auf's neue. ''Früher warst du nicht so langweilig. Und möchtest du nicht einmal mein schönes Raumschiff bewundern? Hättest du nicht gedacht, daß ich wiederkomme, gib's zu!''

''Gedacht schon, aber nicht damit gerechnet. Nicht so rasch jedenfalls. So lange bist du auch wieder nicht weggewesen. Und ja, das Raumschiff ist wirklich schön.''
''Ich sehe schon, du bist nicht ganz bei der Sache. Beziehungsweise bei einer anderen Sache. Hör zu Anton, ich habe eine Idee.''
''Was für eine Idee?'' fragte Anton mißtrauisch, immerhin hatte er mit den Ideen von Herrn Zagreb Echtholz schon so manches Ärgernis durchlebt.
''Ich habe eine Idee, wie du diesen Metzger besänftigen kannst. Ich hab hier nämlich was mitgebracht.''

Zagreb tauchte in die Tiefen seines Raumschiffs ab und seine restlichen Worte klangen nur mehr als dumpfes Gemurmel nach draußen. In diesem Augenblick betrat Antons Vermieterin den Balkon. Miranda Andrews war eine Frau in mittleren Jahren die jedoch gerne jünger wirken wollte weswegen sie sich gerne salopp um nicht zu sagen schlampig kleidete und ihre Haare mit Haargel vollpappte.
''Anton! Mach die Türe zu es zieht!'' keifte sie los – und blieb wie angewurzelt stehen als sie des riesigen Raumschiffs ansichtig wurde: ''What the fuck!!!'' 

Frau Andrews wollte nicht nur gerne jünger aussehen sondern sich auch interessanter machen als sie war und redete daher gerne Englisch, vor allem wenn keiner da war der der englischen Sprache mächtig war und sie daher unbehelligt Blödsinn babbeln konnte.

''Zagreb ist wieder da.'' bemerkte Anton trocken.
''ZAGREB???'' kreischte Miranda ungläubig.
''Genau dieser. Und er hat  mir etwas mitgebracht das ich dem Metzger dort unten schenken kann damit er nicht mehr böse ist. Da schau her!'' Anklagend wies er auf sein durchbohrtes Ohr.
''Hihi'' machte Miranda, denn sie war nicht nur eitel sondern auch schadenfreudig.

Mittlerweile war Herr Echtholz wieder aus der Versenkung aufgetaucht und errötete bis an die Haarwurzeln. ''Miranda …'' hauchte er verlegen.
''Servus Zagreb'', begrüßte ihn Miranda resolut, denn sie hatte keinerlei Respekt vor Männern. Schon garnicht totgeglaubten Männern. ''Bist du gekommen um Anton abzuholen?'' fragte sie hoffnungsvoll.
''Nein'', erwiderte Zagreb, ich bin nur mal so auf der Durchreise, keine Angst. Guck mal'', wandte er sich wieder an Anton ''hier hab ich das ideale Geschenk für deinen Metzger. Einen Seelenspiegel.''
''Einen was?'' ''A what???'' riefen Anton und Miranda durcheinander.
''Einen Seelenspiegel'', wiederholte Zagreb. ''Es gibt da diesen Planeten ungefähr 305 Lichtjahre links von hier, da sammeln sie Gold und geben einem dafür bunte Seelenspiegel und anderes Spielzeug. Wenn man da reinguckt dann sieht man, was die Person, mit der man gerade redet, wirklich denkt.''

''Na geh!'' Miranda trat hastig einen Schritt zurück und setzte ein gespielt unbeteiligtes Grinsen auf. ''Und das kriegt jetzt der Metzger, damit ihm keiner mehr kranke Schweine verkaufen kann? Prima Idee!''
Neidisch blickte sie auf den hübschen Spiegel in Zagrebs Hand während sie sich bereits überlegte, wie sie ihn Anton später wieder abquatschen konnte.

''Also'', meinte Zagreb, bevor du ihn Anton nachher wegnimmst, geb ich dir lieber auch einen.'' Wieder verschwand er in den Tiefen seines Raumschiffs und murmelte dort dumpf vor sich hin.
''Äh'', machte Miranda peinlich berührt. ''Wie hat er das jetzt rausgefunden? Die Teile sind echt rattenscharf!''

Artig bedankte sie sich als ihr Zagreb kurz darauf ebenfalls einen Seelenspiegel hinhielt, er verabschiedete sich daraufhin mit leutseligem Winken und dem Versprechen, bald wieder vorbeizuschauen und dann aber mehr Zeit mitzubringen.
''Mußt vorher mal aufräumen'' meinte Miranda vorwurfsvoll zu Anton. ''So können wir keinen Besuch einladen, hier schauts aus wie bei Hempels unter'm Sofa! Überall stehn die halbfertigen Bilder rum und du bist schuld!''

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