Jedes Mal wenn es Anton auch nur marginal besser ging, bestand er darauf, Miranda auf ihren Urlaubsreisen zu begleiten, wogegen sich Miranda, von der ewigen Knatscherei mürbe geworden, schon lange nicht mehr wehrte. Auch wenn die Erfahrung sie gelehrt hatte, daß es jedes Mal früher oder später eklatanten Ärger gab - was den Urlaub oft stressiger machte als sämtliche Arbeitswochen zuvor.
'Ich geh mich dann mal rasieren!' meinte Anton eines Morgens und verschwand in seinem Zimmer. Miranda dachte sich noch: 'Na wird auch Zeit', bevor sie es sich mit einem ihrer neuen Bücher im Bett bequem machte, Saft und Datteln in Reichweite. Apfel-Holunder-Saft vom Hofer, beruhigend dunkelrot und auch ohne Wein drin ganz lecker.
Die Wände der Pension waren eher dünn und so hörte sie Anton sich räuspern, hörte ihn schimpfen, hörte, wie er an der Waschmuschel umeinanderklapperte und den Hahn auf- und wieder abdrehte. Beifällig streifte ihr Blick das Tischchen im Eck, das sie gestern mit einer Vase geschmückt hatte, die eine einzelne Nelke enthielt. Gab dem Raum gleich eine ganz andere Atmosphäre.
Sie gratulierte sich zu ihrem guten Geschmack, vertiefte sich wieder in ihr Buch, nahm nach einer Weile einen weiteren Schluck vom Saft und blickte zerstreut auf den Boden wo sich eine längliche, dunkelrote Lache bildete.
'Seltsam', dachte Miranda, 'sonst krieg ich's ja immerhin mit wenn ich was verschütten tu. Und gleich soviel! Oba heast, irgendwos ...'
Sie schaute auf die Lache, die länger und länger wurde und ganz eindeutig von der Türe herkam. Von draußen! Hatte die Wirtin ihre Periode und kein Geld für einen Tampon?
Miranda sprang auf, riß ungeduldig die Türe auf - wich angesichts des sich bietenden Anblicks erschrocken zurück, konnte jedoch nicht mehr verhindern, daß sich ein Schwall dunkelroter, zäher Flüssigkeit über ihre bestrumpften Füße ergoß. Blut! Eindeutig Blut!
Drei ehemals weiß gekleidete Malergesellen standen belemmert und stocksteif in ihren schicken Helix Arbeitshosen neben einer lang ausgestreckten Gestalt am Boden, in der sie unschwer Anton erkennen konnte. Extreme Tieflage, diagnostizierte sie, praktisch getunnelt, und obendrein beängstigend viel Öl verloren.
Was ging da ab? So früh am Morgen schon dermaßen betrunken? Sogar für Antons Verhältnisse ziemlich unwahrscheinlich. Und warum die drei bedröppelten Malersmänner?
'Was soll der Scheiß?', fragte Miranda, um Höflichkeit bemüht angesichts der zahlenmäßigen Übermacht der sie doch einigermaßen wehrlos gegenüberstand.
'Jo oiso es is aso ...', hub der jüngste der drei Gesellen an, woraufhin ihm der Älteste, der möglicherweise gar der Meister war, sofort rüde ins Wort fiel: 'Gusch, Deppata! Des Soletti da am Bodn, dea woa grad am Rasian wia mia do heraußn am Diskutian woan wie ma etzn do weidamochn woin, die Wand woa g'strichn soweit, und do reißt da Deppate die Tia auf und und im söbn Moment schneit a si mit'n Rasiamessa und bliat die gaunze frisch g'strichene Waund voi! Da hob I eam aane aufg'legt, ea hod si's Messa einegrennt und etzn issa dod.'
'Naaaaa', blubberte das Soletti da ganz untotengemäß auf einmal dazwischen.
'Naaaaaa', blökte er ein zweites Mal. 'I bin ned dod, I bin a Bayer! I ko nua koa Bluat sehn, ned amal mein eigns!'
Umständlich stand er auf und schaute die verdutzten Malersmänner böse an.
'Und wos is? Ka Rettung hamma g'holt? Typisch wida. Isa eh nua a Piefke, kemma verreckn loßn.'
'Oda ...', drohend drehte er sich zu Miranda um, die noch immer fassungs- und schuhlos in der Blutlache klebte 'oda host es du leicht b'stochn, ha???'
Kopfschüttelnd watete Miranda in ihr Zimmer zurück, legte resigniert ihren Krimi beiseite und begann sich mit dem Gedanken anzufreunden, den Gatsch dann doch selber wegputzen zu müssen, da mit Anton heute ganz offensichtlich nichts mehr anzufangen war. Sein Pech&Pannen-Spektrum war soeben wieder einmal rekordverdächtig erweitert worden.
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