Sonntag, 14. September 2025

Das Rätsel um die mysteriöse Einbrecherbande

'Das ist doch ein Schmarrn Heiko echt, was soll denn da für ein Code dahinterstecken? Das sind einfach alles Saubären die ihren Mist nicht ins Küberl geben sondern auf den Boden hauen. Alles ganz normal.'

'Ja eben, sie HAUEN ihn nicht auf den Boden, sie STELLEN ihn ab. Sie stellen die Becher gezielt an bestimmten Plätzen ab, meist am Straßenrand, nahe am Rinnstein, und mit dem Boden nach oben, so daß ihre Kumpane die verschlüsselte Nachricht empfangen und sich dementsprechend verhalten. Aber ich hab noch nicht rausgefunden, was da für ein System dahintersteckt. Erst dachte ich, es hätte vielleicht was mit dem jeweils danebenstehenden Auto und dessen Nummer zu tun. Aber weißt ja nie wie lange das Auto da parkt und am Ende steht dann ein anderer Wagen da und der Code stimmt nicht mehr. Das kann es also nicht sein.'

Ja, der Heiko mal wieder. Hatte sich in eine Schnapsidee verrannt und war nicht davon abzubringen. In letzter Zeit wollten ihm vermehrt Becher von McDonalds aufgefallen sein, die vermeintlich gezielt am Straßenrand abgestellt worden waren. Verkehrtrum. Nachschauen ob was draufstand hat er sich nicht getraut, weil dann seine Fingerabdrücke draufgewesen wären. Ein Fuchs, unser Heiko. Für nix zu gebrauchen aber immer Quatsch im Kopf. Brauchst keinen Fernseher. Könnten wir uns eh nicht leisten. Alles was wir an Geld reinbekamen ging gleich wieder raus. Bier und so. Wenn Heiko eingeraucht war, fing er immer an, aus irgendwelchen verstaubten Klassikern zu zitieren. Ob richtig oder falsch konnten wir nicht beurteilen, keiner von uns hatte die gelesen. Zarathustra, Krieg und Frieden, der Zauberberg und wie sie alle hießen. Heiko hatte studiert. Irgendwann in grauer Vorzeit. Wir hatten nicht studiert, wir hatten genug damit zu tun, uns um das tägliche Brot zu kümmern. Einer mußte es ja tun. Heiko sicherlich nicht. Seine Eltern betrieben eine Weinstube in der Stadt und steckten ihm immer wieder einmal etwas zu. Dann lud er zur 'Sause' und das gute Geld war innerhalb einer Nacht verjuxt. Schade drum. Aber da war er nicht zu bremsen.

Und jetzt eben diese fixe Idee mit den Trinkbechern. So stapfte er Tag um Tag durch die Straßen um uns am Abend an seinen neuesten Erkenntnissen teilhaben zu lassen.

Heute war ein guter Tag. Wir hatten einen frischen Kasten Bier organisiert und August hatte was zum Rauchen dabei. So konnten wir uns entspannt zurücklehnen und Heikos Geschichten lauschen. Wildes Kopfkino echt. Wie gesagt, da brauchst keinen Fernseher.

Heute war er offenbar direkt in ein heimliches Liebesnest geraten. Bzw. vor die Fenster desselben. Bereits am frühen Morgen losgewandert, hatte er am Stadtrand ein wunderschönes kleines Häuschen erspäht, vor dessen Türe einer dieser Trinkbecher stand. Stand, nicht lag.
War hinter dem Haus den nebelverhangenen Fußpfad entlanggeschlichen, wäre fast über die Ausläufer einer Brombeerhecke gestolpert (eine geschlagene Viertelstunde konnte er sich darüber echauffieren, wie Gartenbesitzer ihre Büsche so ungepflegt wuchern lassen konnten) und hatte im Inneren eines Hauses, die Vorhänge waren offen, einem jungen Paar beim Kuscheln und Frühstücken im Bett zugesehen.
Eine Augenweide sei sie nicht gerade gewesen, berichtete er nüchtern, das darauffolgende Liebesspiel habe ihn daher nicht weiter interessiert. Schließlich habe er zu ermitteln.

Wir gaben uns alle Mühe, nicht allzu lautstark zusammenzubrechen. Ermitteln, hahaha pruuuuuuuust, Heiko als verdeckter Ermittler, muhahaaaaaaaaaaa!
Allzu heiter durfte es nicht werden, denn wenn er sich verarscht vorkam, konnte er ziemlich wütend werden und das wollte niemand. Echt nicht.

Am nächsten Morgen wurden wir alle von einem lauten RUMMS geweckt. Erschrocken fuhr ich hoch. Was war los? Hatte der Vermieter wieder einen Anfall? Stand gar die Polizei vor der Türe?
Da hörte ich ihn schon schimpfen. Aus der Küche. Heiko hatte sich eine Zeitung besorgt und wütete nun über das soeben Gelesene. Mußte das jetzt in aller Früh sein? Mein Kopf dröhnte als hätte jemand mit einem Hammer draufgehauen. Der einzige der hier haute war jedoch Heiko. Nämlich mit der Faust auf den Tisch. RUMMS. RUMMS. RUMMS. Normalerweise scherte er sich keinen Pfifferling darum, was in der Zeitung stand. Was konnte seinen Unmut derartig erregt haben?

'Hey Alter was geht ab? Was soll der Radau?', erkundigte ich mich vorsichtig.
'Da schau! Da siehst du es! Ich hatte recht! In dem Haus mit dem Liebespaar wurde heute Nacht eingebrochen! Der Becher stand davor und dann wurde eingebrochen. Wie machen die das? Wie können die anderen wissen, wo gerade diese Becher stehen? Man rennt doch nicht Tag und Nacht durch die Stadt und schaut nach Bechern. Ich will wissen, wie das funktioniert! Und ihr werdet mir dabei helfen. Ab heute lauft ihr mit und stellt Beobachtungen an. Ja, das werdet ihr tun!'

Scheiße. Wenn Heiko sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann gab es keinen Ausweg. Wir mußten mitlaufen, Bock oder keinen Bock.

'Sag mal Heiko,' versuchte es August mit einem Appell an die Vernunft, 'meinst du nicht, daß die modernen Einbrecher das Internet nutzen? Die haben vielleicht so eine Art interaktive Landkarte erstellt? Und wenn wir jetzt diese markierten Stellen zu fünft abmarschieren machen wir uns am Ende verdächtig. Entweder haben wir die Bullen am Hacken oder die Bande selbst. Wir müssen uns trennen. Jeder von uns geht alleine los und am Abend besprechen wir was wir entdeckt haben, einverstanden?'

'Ja August, kaiserlicher Prinz, du weißt das, du bist gut! August du bist sehr gut! So werden wir es machen. Wir gehen getrennt. Bis heute Abend, ich erwarte Ergebnisse! Du weißt das August!'

Puh. Nochmal davongekommen. Auf die Idee zu fragen, warum die Einbrecher sich dann noch mit den Bechern abplagen sollten, wenn sie eine interaktive Karte hatten, war Heiko glücklicherweise nicht gekommen.
Wir liefen eine Runde um den Block und legten uns anschließend wieder in der Wohnung ab. Hatten wir halt nix gesehen, sowas Dummes aber auch. Manchmal war Heiko echt anstrengend aber seit ihm die Bude gekündigt worden war, wohnte er bei uns und seine Eltern zahlten einen Großteil unserer Miete. Das war ein unschlagbares Argument. 

Als unser Plagegeist am Abend noch nicht wieder heimgekehrt war, machten wir uns etwas Sorgen. Zugegebenermaßen nicht besonders große. Versumpft würde er sein, war der Konsens, und beruhigt gingen wir zu Bett. Doch auch am nächsten Tag war weit und breit nichts von ihm zu sehen. Gegen Abend waren wir so richtig besorgt und marschierten los in Richtung Stadt, uns ein wenig umhören. Stammkneipen abklappern und so. Vor dem Striese trafen wir tatsächlich auf Rolf, der ihn am Abend zuvor um die Fuggerei hatte herumschleichen sehen. Ja, es war dunkel gewesen, aber bitte, also Heiko war nicht zu übersehen und außerdem sei er in Kaisheim mit ihm in einer Zelle gehockt, man kenne sich daher bestens. Leider.

Mittlerweile war es spät geworden, wir konnten also in die Fuggerei eh nicht mehr rein und wankten, noch immer ziemlich besorgt, nach Hause. Seine Laune nach etwaigen Mißgeschicken war legendär und wir freuten uns nicht darauf, wieder mal etwas ausbaden zu müssen das allein er verschuldet hatte.
'Gleich morgen früh gehen wir rein und sehen uns um!' verkündete August und wir nickten wie ein Mann.

Gesagt getan. Punkt 10 Uhr marschierten wir geschlossen durch das Eingangstor und durchkämmten die, sowieso nur sehr wenigen, Gassen der Fuggerei. Die Schauwohnung war wegen Renovierung geschlossen, verkündete ein Schild vor dem Eingang. Schade. Wenn man schon Eintritt bezahlen muß, möchte man wenigstens auch was zu sehen bekommen! Doch was war das? Heiseres Gebrüll und Gepolter drang aus der Wohnung nach draußen. Das würde doch nicht ... das war doch nicht etwa ... das konnte doch nicht ...

Nachdem er sich drei Portionen Nudeln ohne Salat (tu das weg August, das könnte gesund sein!) reingezogen hatte, bekamen wir endlich die gesamte Geschichte aus ihm heraus. Nachdem akkurat vor dem Tor der Fuggerei einer der mysteriösen Becher gestanden war, hatte er sich in der Wohnung einschließen lassen um sich am nächsten Tag in aller Ruhe und inkognito der Suche nach dem Einbrecher widmen zu können. Kompletter Unfug natürlich, aber wer wollte seine Zähne riskieren, also blieben wir stumm. Dummerweise hatte am nächsten Morgen niemand die Wohnung aufgesperrt. Erst hatte er sich nichts dabei gedacht, schließlich öffnete man für das Volk erst ab 10 Uhr. Doch die Wohnung blieb versperrt. Doppelt schändlich, daß er, einer der geschicktesten Einbrecher der Stadt, die Türe nicht selbst hatte öffnen können. Doch ohne Werkzeug ... zwecklos. Wenigstens war das Wasser noch nicht abgestellt worden, so daß er zumindest seinen Durst stillen konnte. Aber die Küche war natürlich leer. Es war ja nur eine Schauwohnung. Jegliches Gebrüll und Klopfen wurde von den Nachbarn wohl als Nebengeräusch der angekündigten Renovierung gehalten. Warum er nicht aus dem Fenster gerufen hätte? Weil diese ebenfalls bummfest verschlossen gewesen seien, mit diesen altmodischen Riegeln, die man nicht ohne passenden Schlüssel öffnen konnte. Die Scheiben einzuschlagen wäre ebenfalls sinnlos gewesen, da er durch die winzige Fensteröffnung nicht hindurchgepaßt hätte.

Während der nächsten Wochen vermieden wir es tunlichst, die Worte Becher oder McDonalds auszusprechen um ihn nicht zu reizen. Zwischenzeitlich hatte er sich in eine neue fixe Idee verrannt. Er wollte eine Rennsemmel bauen, mit der er die Leute foppen und zur Verfolgung selbiger animieren könnte. Wenn sie dann in der Hast ihren Geldbeutel verlören, dann brauchte er ihn nur noch aufzusammeln. Ob ihm denn niemand bei der Konstruktion des fahrbaren Untersatzes behilflich sein wolle? Eilig stoben wir in verschiedene Richtungen davon.

Die Sache mit den Bechern hat sich dann übrigens doch noch aufgeklärt. Eines schönen Tages im Herbst saß ich im Wittelsbacher Park und blätterte absichtslos durch eine liegengelassene Augsburger Allgemeine. Auf einmal saß ich kerzengerade und traute meinen Augen nicht: Hatte man doch vor wenigen Tagen einen Hundebesitzer ausgeforscht, der auf die glorreiche Idee gekommen war, benutzte Becher über die Hinterlassenschaften seines Fifi zu stülpen so daß er sie nicht aufzusammeln brauchte.
Es muß nicht extra erwähnt werden, daß niemand von uns es übers Herz brachte, Heiko davon zu erzählen? Hunde und so. Sollte man schlafen lassen. Besser ist das.


























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