Sonntag, 25. Mai 2025

Ein Mann der Tat


Lust hätte er schon gehabt. Die hatte er immer. Liebe brauchte es dazu keine, die verkomplizierte die Sache nur unnötig. Aber dieses Mädel war irgendwie anders. Der konnte man nicht sofort sein Bedürfnis um die wohlgeformten Ohren hauen, da war Subtilität angesagt. Am ersten Abend wanderten sie daher lediglich händchenhaltend aus der Disco in die sommerliche Sternennacht hinaus. Nicht einmal geknutscht hatten sie. Nur geredet. Das dafür die halbe Nacht. 

Seine Strategie schien sich auszuzahlen. Sie himmelte ihn an und die Tatsache, daß sie mit ihrer Freundin und zwei kleinen Kindern in einer Wohnung schlief, hinderte ihn glücklicherweise daran, in den frühen Morgenstunden mit nach oben zu kommen und sich vielleicht doch noch von der Gier hinreißen zu lassen. Und alles zu versauen. Mit dieser Frau, das spürte er, wollte er keinen One Night Stand. Er wollte viele. Ganz viele Stands wollte er in ihr versenken, immer und immer wieder. Laut jaulend schleuderte er seinen aufgestauten Samen aus dem Fenster in die niederbayerische Nacht. Er würde siegen und kommen, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. 

Welche er am nächsten Tag, einem Sonntag, selbstverständlich besuchte, wie sich das in einem Dorf gehört. Damals wurden die Geschäfte nicht auf dem Golfplatz gemacht wie heute üblich, sondern am Stammtisch nach dem Gottesdienst. 

Sobald der Pfarrer die Meute entließ mit den lange ersehnten Worten: 'Gehet hin in Frieden!', stampfte man erleichtert von dannen, goß sich im Dorfkrug die eine oder andere Maß hinter die gelockerte Binde während die Frauen daheim brav das Essen zubereiteten.

Daß eins der beiden Kinder nicht zur Freundin sondern zu ihr gehörte, bekam er leider zu spät mit. Er war bereits gefangen im Strudel der Leidenschaft und wagte es gar, sich gegen seine dominante Mutter aufzulehnen, die der festen Ansicht war, daß eine Ausländerin, auch wenn sie aus einem Land geflohen war in dem man es mit den Menschenrechten nicht so genau nahm, in ihrer Familie nichts zu suchen hatte. 

Die nächsten Wochen vergingen wie im Rausch, nur das blöde Kind störte ihn massiv. Sonst hätte er sie vielleicht sogar spontan geheiratet, trotz des Gemeckers seiner Mutter, so stark war die Sogwirkung, die von ihr ausging. Aber die Kleine störte ständig seine Pläne, war im Weg, war krank, mußte von der Schule abgeholt werden - und wenn sie da war konnte er nie so wie er wollte.

Eines Morgens wachte er auf und merkte sofort: Etwas stimmt nicht. Die Bettseite neben ihm war leer, kein Kaffeeduft wehte aus der Küche herüber, keine wohlig anmutende Betätigung in seiner Lendengegend hatte ihn geweckt sondern die Sonne die zum Fenster hereinschien, und es gab auch keine Semmerln ans Bett. Sie war spurlos verschwunden. Was war geschehen? Hektisch suchte er nach einem Zettel, fand aber keinen. Wurde sie gekidnappt? Von Aliens? Verstört blickte er aus dem Fenster und sah ... ein Ufo im Garten stehen. Das auch nach mehrmaligem ungläubigem Blinzeln noch dastand. War das ein Witz? Würde jetzt gleich der Mork vom Ork an seiner Türe klingeln und fröhlich 'Nano Nano' krähen? Wo war seine Geliebte? Was ging hier ab und was war das für ein Teil da draußen?

Vorsichtig öffnete er seine Haustüre und linste um die Ecke. Tatsache. Da stand ein Ufo mitten im Garten. Gerade als er sich diesem langsam nähern wollte ging die Türe auf und ein Mädchen mit knallroten Haaren kam heraus. Pippi Langstrumpf? Seine Augen wuchsen zu Tellergröße heran. Was hatten sie gestern getrunken? Das konnte doch alles nicht wahr sein. Hatte man ihm was in den Wein gegeben, so daß er jetzt unter Halluzinationen litt? 

''Hey alter Mann, was schaust du so? Gefällt dir mein Raumschiff nicht? Magst mal mitfahren?''
''Was soll das heißen alter Mann? Ich bin nicht alt und du bist eine freche Rotzgöre. Wo ist meine Freundin? Was soll der Unsinn?''
''Ja, wo ist die Freundin. Hat sie dir heute noch keinen geblasen? Uiuiui. Warum fragst du nicht wo ihre Tochter ist? Die vermißt du nicht oder wie? Hast wohl nix übrig für Kinder?''

Er war sprachlos. Und auch ein wenig betroffen. Um der Gerechtigkeit Genüge zu tun mußte er zugeben, daß sie recht hatte. Er mochte keine Kinder. Die waren einfach ständig im Weg, forderten und nervten und kosteten unnötig Geld. Als könnte sie seine Gedanken lesen fuhr das Mädchen fort:

''Ich hab die beiden in Sicherheit gebracht, vor dir und deinem Ego. Du hättest sie früher oder später betrogen und das Kind geht emotional vor die Hunde in so einer lieblosen Atmosphäre. Kinder brauchen Freiheit und Luft zum Atmen. Bei dir hat sich das arme Ding immer im Eck rumdrücken müssen weil du nur Augen für die Mutter hattest. A propos Mutter: Die deinige wird sich vor Dankbarkeit nicht mehr zu halten wissen wenn sie erfährt, daß ihr heiliger Sohnemann die böse Ausländerin endlich los hat und frei ist, die Pichler Rosi zu heiraten so wie sie es für dich geplant hat. Noch Fragen?''

Nein, die hatte er nicht. Dafür plötzlich eine Axt in der Hand mit der er auf das Raumschiff losgehen wollte. In seinen Augen stand Mordgier geschrieben. Das Mädchen lachte nur, entwand ihm mit sicherem Griff die Axt und warf ihn auf den nächsten Baum.

'Sag mal, du hast wohl in deiner Jugend nicht viel gelesen? Gegen mich kommst du doch mit einer Axt nicht an, alter Mann. Ja, ächze nur und stöhne, und überlege dir, wie du ein besserer Mensch werden könntest. So wie bisher geht's jedenfalls nicht weiter!'' 

Mit einen heftigen Knall fuhr die Axt in den Baum auf dem er hing und erschütterte die gesamte Krone. Mit einem heftigen Schrei fuhr er hoch und haute sich den Kopf am Bettgestell an. Er hatte geträumt. Du meine Güte was für ein Traum!

Aus der Küche wehte Kaffeeduft herüber und soeben kam die Freundin mit einem Teller belegter Semmeln lächelnd zur Türe hereingestöckelt. Das Blag drückte sich wie immer irgendwo im Eck herum. So konnte es nicht weitergehen, auch ohne Ufo und freche axtschwingende Mädels. ''Wir müssen reden'', sagte er und nahm ihr den Teller ab.

Am Abend saß er wieder in seiner Stammdisco und flirtete nach allen Richtungen. Sex ohne Reue, ungebunden, frei und unbeschwert. So sollte es sein, das wollte er wiederhaben. Die Trennung hatte nicht nur ihr wehgetan, auch er hatte einen heftigen Schmerz verspürt, sogar mitgeweint hatte er. Dann war er aufgestanden. ''Das Leben geht weiter'', hatte er zu ihr gesagt und sie sanft aus der Türe bugsiert. Ein Mann der Tat. Ein Mann, der wußte was er wollte.

Bereits die Woche darauf hing das Aufgebot mit der Pichler Rosi im Kasten vor der Kirche. Bedröppelt stand er davor. Ein Mann, dessen Mutter stets das Beste für ihn wollte. Ein Mann, der wußte wann er sich geschlagen zu geben hatte. 























Aussichtslos



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