'Bringst noch an Speck mit vom Hofer, Annelie? Ich tät gern amal wieder Alpenglühen zum Frühstück haben???'
'Logisch Tonerl, moch I!'
Annelie, die Frau des Feuerwehrhauptmannes warf sich mit Begeisterung in ihr neues Auto, welches sie zum Geburtstag von ihrem Mann bekommen hatte, und brauste los. Inzwischen traute sie sich, den erfreulich schnellen Flitzer voll auszufahren, es konnte ihr ja nichts passieren, immerhin war ihr Mann auch der Chef der örtlichen Polizei.
Der Einkauf war rasch erledigt, vormittags waren grundsätzlich wenig Leute beim Einkaufen unterwegs, die meisten waren beispielsweise damit beschäftigt den Hund auszuführen, damit die Trümmerln dann vor den Grundstücken der Nachbarn lagen und nicht vor den eigenen, das Jackett des Ehemannes nach fremden Haaren abzusuchen oder mit dem Geigerzähler durch den Wald zu marschieren, im Fall daß die Pilze verstrahlt wären die sie sich gerade ins Körberl sammeln wollten, die wären dann immer noch als Geschenk für die Schwiegermutter geeignet.
Annelie ging beim Ausparken bereits im Kopf das Rezept für die Alpenglühen-Weckerln durch, denn Kochen war ihre Leidenschaft, Essen die ihres Mannes, und die Kunst dabei war, beides so zu verbinden, daß dennoch beide nicht noch weiter zunahmen. Dergestalt beschäftigt bemerkte sie daher auch den näherkommenden Traktor nicht, setzte, ganz in Gedanken, völlig abrupt rückwärts aus der Parklücke, und erst als neben ihr der Traktor infolge seines hastigen Ausweichmanövers halb über die Kante hängend zum Stehen kam und die Ladung sich heftig prasselnd, praktisch Steinschlag, vom umgekippten Hänger halb auf den Parkplatzboden, halb auf ihr Autodach, ergoß, wachte sie aus ihren Kochträumen auf.
'Jössas naa, wos is jetzt los? Jöh, der oame Foara!'
Der Traktorfahrer hing halb aus seiner Kabine, erst konnte sie, die sie ihm selbstverständlich rasch zur Ersten Hilfe geeilt war, sein Gesicht nicht sehen doch dann bildete sich jähes Erschrecken auf ihren trotz ihres Alters noch immer attraktiven Zügen ab. Jonas! Der Fahrer war keiner der Bauern aus der Umgegend, was schlimm genug gewesen wäre, sondern ausgerechnet Jonas! Ein ehemaliger Liebhaber aus ihrer wilden Zeit in Wien, welcher ganz in der Nähe, drinnen im Wienerwald, ein Häuschen besaß welches ihr bestens bekannt war, nicht nur von außen.
Aber was hatte er hier in ihrer Ortschaft zu suchen, noch dazu auf einem Trecker, der einen mit Steinen beladenen Anhänger hinter sich herzog? Beziehungsweise gezogen hatte ... der Traktor hing noch immer halb über der Kante Richtung Hofer, und Jonas ... der schlug gerade seine Augen auf, richtete sich stöhnend auf, fuhr sich mit der Hand über die Stirn und sah sie an:
'Na geh, die Annelie! Heast, wos duast denn? Seit waun host du an Schein? Vorgestern? Man schaut doch bevor man ausparkt! Na seavas, do brauch ma die Feuerwehrler, I hoff du bist gut versichert, des kost a Lawine da konnst di drauf valossn!'
'Wie geht's da denn?', fragte Annelie beschämt, 'hast dir eh nix brochn oder so? Duat ma laad, I hob an wos aundas docht ... oba wos führst a grod etzn die Staana do vuabei? So a bleda Zuafoi ...'
'Ahso, die aundan kennen di woahscheinli scho und umfahrn di prophlaktisch bereits großräumig, wos?' Sich langsam wieder zu seiner imposanten Größe aufrichtend berichtete Jonas von den Umbauarbeiten eines Freundes in seiner Nachbarschaft, dem er aktuell behilflich sei, ein paar Mauern einzureißen, da dieser eifrig dabei sei, sein Haus zu vergrößern. Wilde Partys seien geplant und sie wisse eh. Wie damals halt, im Swingerclub, nur eben privat. Tief Luft holend sah er sie an: 'I maan I mir is nix passiert, müßt ma halt den Anhänger wieder ... und den Trecker ... oba huach, do kummt schon die Feierwea ... na fesch, die san schnö. Woascheinlich immer in Bereitschaft wannst mid'n Auto unterwegs bist ha? Oba guat schaust aus, des Landlebn scheint dir zu bekommen!'
Mittlerweile war das Feuerwehrauto herbeigebraust, zum Stehen gekommen und heraus sprang ... ausgerechnet Toni ... Annelie schaffte es gerade noch, Jonas zuzuflüstern, daß sie so tun sollten, als ob sie sich nicht kennen, da ihr Mann nichts von ihren Wiener Eskapaden wisse, da standen die Männer bereits um den Traktor herum, zogen die Gurte an, sicherten was zu sichern war, während Toni sich festen Schrittes dem Führerhaus näherte.
'Seawas, brauch man an Notarzt? Geht die Tür noch auf? Alles soweit in Ordnung sonst?' Jonas versicherte, daß ihm bis auf den Schrecken nichts passiert sei, und grinste dann hinterhältig: 'Bissl heftig, des Zusammentreffen mit der Annelie, wie früher halt, gell Annerl? Warst schon immer ein fescher Kracher.' 'Ach, ihr kennt euch?', fragte Toni erstaunt? 'Aber hallo! Sowas von. Sozusagen feststehende Bekanntschaft, haha.'
Annelie funkelte ihn erbost an, und blickte dann, wie auf eine Eingebung hoffend, auf dem Parkplatz umeinander - und tatsächlich kam, klassischer Deus ex Machina, exakt in diesem Augenblick ein Auto direkt neben dem ihren zu stehen und heraus stieg, man sollte nie glauben es könne nicht schlimmer kommen, die Chefin des Swingerclubs, in dem sie und Jonas damals verkehrt waren.
'Geh Jonas,', rief die Frau Chefin erschrocken aus, 'was ist dir denn passiert? Ganz bleich schaust aus!' Diskret wie immer sah sie immerhin davon ab, Annelie auch noch zu begrüßen, aber Toni sah mit gerunzelter Stirn dem Austausch zu, denn natürlich wußte er, wer die Frau war, in so einem kleinen Ort kennt man sich eben. Die Chefin eines bekannten Swingerclubs begrüßt mit Leidenschaft einen Mann, der seinerseits seine Annelie als alte Bekannte bezeichnet hatte? Und seine Frau, sonst wirklich nicht auf den Mund gefallen, stand daneben wie das personifizierte schlechte Gewissen? Was war da los, was wurde da gespielt? Hatte sie sich am Ende ... mit ihm dort getroffen? Auch mit anderen? Und ihm nichts davon erzählt? Er hatte sie damals als grundanständige, zwar geschiedene aber ehrbare alleinstehende Frau kennengelernt, die in einer Behörde einen Minijob hatte und sich so eher mühsam über Wasser hielt.
Toni versicherte der Frau Chefin, daß dem Jonas nichts passiert sei und bat sie, nun aber zur Seite zu treten, damit seine Männer mit der Bergung des Fahrzeugs beginnen könnten. Jonas, fies grinsend, rief ihr noch hinterher, man könne ja Annelie vielleicht ein bisserl strippen lassen, um die Männer zu Höchstleistungen anzuspornen. Vor Verlegenheit wußte diese nicht mehr, wohin sie schauen sollte, die Chefin erfaßte die Situation jedoch augenblicklich und rief laut: 'Jonas, du bist ein boshaftes Mensch. Du weißt genau, daß ich die Annelie damals nur als Kellnerin eingestellt hatte, also was soll der depperte Schmäh jetzt?'
Zu Annelie gewandt erklärte sie, deutlich und so daß Toni alles hören konnte: 'Frau Annelie, die Leut fragen immer noch nach Ihnen obwohl Sie damals immer viel zuviel anhatten. Aber sonst hat es nie eine Kritik gegeben, und ich hab Sie ja auch nur sehr ungern gehen lassen wie Sie wissen, Sie haben immer hervorragende Arbeit geleistet, immer korrekt, immer pünktlich und stets freundlich auch mit schwierigen Kunden. Aber nachdem Sie die Arbeit dort nicht mehr mit ihrem Verständnis von Anstand und Würde vereinbaren konnten ... ja, was sollte ich machen, ich konnte Sie ja nicht festbinden. Obwohl sich dafür sicher auch ein Publikum gefunden hätte ...'
Mit einem gespielt erschrockenen Räusperer aufgrund ihrer Offenheit drehte sie sich am Absatz um, und strebte Richtung Hofer. 'Bussi baba olle miteinand, I geh dann mal, heut is der Schampus im Angebot ...' und weg war sie.
Stumm starrte ihr Annelie hinterher, insgeheim die hochglänzende Fabulierkunst der guten Frau bewundernd, und wagte dann einen vorsichtigen Blick in die Richtung ihres Mannes. Dieser tat einen lauten Seufzer und meinte: 'Annerl, des hättst mir doch können erzählen, daß du dort als Kellnerin warst. Und daß du trotz deiner angespannten finanziellen Lage auf den Job letztendlich verzichtet hast, also das ist ... eigentlich ein Blödsinn gell, aber freuen tut's mich irgendwie schon. Na, jetzt hast ja mich, da mußt dich nicht mehr von solchen Grobianen beleidigen lassen!'
Fürsorglich zog er seine Frau zu deren Auto und meinte, mit einem letzten abschätzigen Blick in Richtung Traktor: 'Die Männer können das jetzt allein erledigen, ich führ dich rasch heim, nach dem Schock laß ich dich nimmer selber fahren, ned daß am End noch wirklich was passiert.'