Samstag, 10. August 2024

Die Lösung


Ein Spaßbad sollte eigentlich Spaß machen. Leider tut es das nur einer einzige Bevölkerungsgruppe: Den Familien. Alleinstehende und ältere Leute haben zunehmend weniger Freude am kühlen Naß, weil die Familien sich immer weiter ausbreiten und durch ihr rücksichtsloses Verhalten allen anderen das Vergnügen vergällen. Dies ist ein deutlich zu beobachtendes Phänomen, über das allerdings nicht gesprochen werden darf, weil die Menschen, wie bei allen Ereignissen die sie nicht beeinflussen können, große Angst haben, daß der Mißstand durch bloße Erwähnung noch schlimmer wird. Daher gilt es als unsozial, etwas gegen Kinder zu sagen. Wer es dennoch tut, wird mit Haß und Häme überschüttet.

Ich weiß nicht, wann diese gesellschaftliche Entwicklung begonnen hat. In meiner Kindheit war es gang und gäbe, lautstark tobenden Kindern durch Zurufe Einhalt zu gebieten, notfalls mit Gewalt. Stop hieß Stop, da gab es keine Diskussion. Getobt wurde auf dem Spielplatz oder auf dem Sportplatz. Nicht im Klassenzimmer und schon garnicht in Bus, Zug, Supermarkt oder Kirche.

Heute ist das anders. Es wird nicht nur getobt, es wird gekreischt und sich auf den Boden geworfen, wo man gerade geht oder steht. Wir Autisten können ohne Kopfhörer nicht mehr aus dem Hause gehen, da einen die Schallwellen sonst beinahe sofort umwerfen.

Wir hatten keine Chance, uns Gehör zu verschaffen, wir mußten in den Untergrund gehen. Uns radikalisieren, wie es so schön heißt.

Nachdem man die Leute ja nicht auf offener Straße abknallen kann, haben wir uns für unsere Einsätze das eingangs erwähnte Spaßbad ausgesucht. Einfach mal schauen was geht. Mit dem Mut der Verzweiflung konnten wir auch das Geschrei ertragen, zumindest für kurze Zeit. Ohropax nützt leider wenig. Sonst hätte wir ja auch kein Problem. 

Die Rutschen im Bad hatten olympische Ausmaße. Die Kinder und teils sogar ihre Eltern rasten gefühlte drei Kilometer durch eine Röhre bis sie endlich unten ankamen und  unter lautem Gekreische im schaumigen Wasser untertauchten.

Nun, was wollten wir tun? Wir hatten die Röhren mit einem Zauber belegt. Jeder Röhrenbenutzer ab einem Dezibelausstoß von 50 verschwand, sobald ein gewisser Gitarrenriff aus dem mitgebrachten Superwoofer ertönte, ab einer zuvor bestimmten Kurve einfach im Nichts. Ganz so einfach wie es klingt war das natürlich keinesfalls. Energie geht ja nicht verloren und wir hatten ganz schön tüfteln müssen, um uns hier eine Lösung einfallen zu lassen, die allen gerecht wird. Die verschwundenen Schreihälse wurden in Licht, Luft und Liebe verwandelt, was letztendlich auch der Verhinderung von Kriegen dient.

Natürlich waren einige Eltern nicht begeistert, nachdem ihre Kinder von jetzt auf nachher verschwunden waren, aber erstaunlich viele Mütter zeigten Erleichterung. Sie hätten sich die Mutterrolle anders vorgestellt, gestanden sie verschämt. Es sei leider noch immer tabu, darüber zu sprechen, daß einem die eigenen Kinder auf die Nerven gingen. Die Väter hatten meist wenig zu sagen. Viele hatten sich in Beruf und Kegelclub geflüchtet um sich das Chaos zuhause nicht antun zu müssen. Nun konnten sie nach Arbeitsschluß wieder getrost nach Hause kommen und sich mit ihren Frauen einen gemütlichen Abend machen. Auf eine gefüllte Kondomschublade war dabei selbstverständlich stets zu achten.


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