Sonntag, 18. Oktober 2020

Mal endlich alle wieder zusammen ...


Freitagnachmittag im Klinikum, die Sprechstunde der Ambulanz ist vorbei, die Arbeitszeit leider noch nicht, und so treffen sich einige Mitarbeiterinnen rein zufällig im Sekretariat auf einen Ratsch, das Blubbern der Kaffeemaschine im Hintergrund sorgt zusammen mit dem Duft frisch gebrühten Kaffees für eine gemütliche Atmosphäre. 

Naja, so gemütlich wie sie in einem Büro voller völlig unterschiedlicher Frauen eben sein kann.

"Sie machen WAS???", ruft Miranda entsetzt aus, in der Hoffnung, sich verhört zu haben.

"Hotspot-Hopping", wiederholt Valentina geduldig. "Sie machen Hotspot-Hopping".

"Und das bedeutet was genau? Die fahren aber ned wirklich mit ABSICHT genau dahin, wo grad ein Hotspot ist?"

"Doch, genau das", erklärt Valentina, "etwa wie bei den Tornado Hunters in Amerika. Gucken wo grad das größte Inferno tobt und dann genau dort hinfahren."

"Wißt ihr eigentlich," wirft Käthe mit der ihr eigenen, verträumten Pedanterie ein, "daß man in Amerika zur Kneipentour 'bar-hopping' sagt und in England 'pub-crawling'? Ich frag mich ja, ob die in Amerika was ganz anderes dabei trinken, oder ob die Engländer sich einfach bereits im ersten Pub so vollaufen lassen, daß sie nur mehr auf allen Vieren ..."

"Mensch Käthe, das ist doch jetzt wirklich voll am Thema vorbei!" 

Klar, Chantal wieder, die alte Spielverderberin. Null Humor die Frau, außer wenn es um dreckige Witze oder zweideutige Anspielungen geht, da ist sie stets ganz vorn mit dabei. Tiefsinnige Betrachtungen dagegen bringen sie regelmäßig aus dem Konzept. So sie denn eins hat. Meist ist sie grundsätzlich einfach dagegen. In diesem Fall sogar zu Recht: Hotspot-Hopping, sowas Beknacktes!

"Ja und gehen die dann hinterher zum Testen um zu beweisen, daß da nicht wirklich was war, oder was soll der Unfug?" will Miranda wissen.

"Nee du, die machen das einfach aus Jux und Dollerei. Seit man ihnen die Partys und Konzerte verboten hat und Sportveranstaltungen nur noch sehr begrenzt stattfinden dürfen ... da fehlt ihnen halt was."

"Fehlt ihnen was? Aha? Der Spaßgeneration fehlt was? Dann sollen sie sich halt ehrenamtlich engagieren oder was für die Umwelt tun, statt überall ihre Flaschen hinzuschmeißen damit die armen Tiere reintreten! Das regt mich SO auf! Geh mal in der Früh rüber an den See und schau dir den Saustall an! Und das ist NICHT besser geworden seit den Kontaktbeschränkungen, jeden Sonntag in der Früh dieselbe Sauerei! Denen fehlt ein paar auf's Maul, sonst garnix!!!" schimpft Miranda leidenschaftlich und nimmt einen Schluck von ihrer Mandelmilch.

Hustend fährt sie fort: "Und wieso wird das nicht unterbunden? Sonst kann man doch auch jeden Scheiß verbieten. Wir dürfen uns in unserer Schreibgruppe nur noch zu fünft treffen, aber die jungen Leute fahren vergnügt alle miteinander Hotspot-Hopping oder was? Ich mein, geht's noch???"

"Ja was willst du machen?", fragt Valentina begütigend. "Wenn die getrennt anreisen? Ich mein, die ham ja kein Schild dabei wo draufsteht: 'Wir sind die bösen Hotspot-Hopper Huhuhuuuuu' und so blöd sindse auch nicht, daß sie sich in größeren Gruppen dort treffen. Geht doch alles über Telegram. Der Code wechselt natürlich ständig, neulich war's 'glutrot geht die Sonne auf' haha, da mußt erstmal draufkommen!", grinst sie fröhlich.

"Du findsch des jetzt au no lustig oder was?" echauffiert sich Chantal. "Wir tragen Verantwortung und Masken und was noch alles, und du findsch des lustig wenn ein paar Irre alles kaputtmachen nur weil ihnen langweilig ist? Ich glaub's jetzt ned!"

"Wieso machen die was kaputt?", fragt Käthe verständnislos. "Was machen sie denn kaputt? Die fahren doch einfach nur hin, und laufen ein bissl rum, mal was trinken gehen, viel mehr geht doch eh nimmer. Ich seh keinen Unterschied zum Touristen der weiterhin unerschrocken sein Sightseeing macht. Städtereisen. Heute Nürnberg, morgen Bamberg - huch, is seit heute ein Hotspot? Ja hm, blöd gelaufen. Passiert doch jedem mal. Und jetzt? Wer macht da was kaputt? Die einzigen die was kaputtmachen sind die Hysteriker die einem dauernd irgendwelche aus dem Zusammenhang gerissenen Zahlen um die Ohren hauen und die unreflektierten Konsumenten, die das alles unverdaut schlucken."

"Aber die fahren mit ABSICHT hin, das ist VERANTWORTUNGSLOS! Weil die dann den Virus WEITERVERBREITEN! Bist du so blöd oder tust du nur so?"

"Hör mal Chantal, das Virus WEISS das doch nicht, ob jemand mit grob fahrlässiger Absicht angereist ist oder weil's der Chef gesagt hat. Oder einfach so. Ich find des jetzt voll unlogisch."

Während die Damen im Büro nicht nur die Zeit sondern sich auch gegenseitig die Köpfe einschlagen, wird zeitgleich im schönen Tübingen in Baden-Württemberg, eine Gruppe Jugendlicher von der Polizei angehalten:

"Guten Tag, Ausweiskontrolle, Ihre Papiere bitte!"

Die Jugendlichen zücken verunsichert ihre Ausweise und händigen diese den streng blickenden Beamten aus. Nachdem bei der Routineüberprüfung nichts festgestellt werden konnte, möchten die Beamten nun wissen, wer von den Anwesenden die neue Corona-Warn-App auf seinem Handy installiert hat. Die Jugendlichen zeigen ihre Handys vor, acht von ihnen haben die App installiert und bekommen ihre Ausweise zurück, die Personalien der anderen drei werden notiert.

"Warum schreiben Sie uns jetzt auf? Was haben wir denn falsch gemacht?", wagt es einer der Jugendlichen zu fragen.

"Ihr hend nix falsch g'macht", erklärt einer der Beamten nicht unfreundlich, "des isch eufach a neu's Gsetz. Wär dia Äpp net am Handy hod und mit mähr als neun Leut unterwägs isch, also zehn Leut und drübr insgesamt, der wird aufg'schrieba. Wo wellet ihr eigentlich na? Send ihr a Schulklass odr so ebbes?"

"Nein, wir sind die Helfer für die Herbstaktion. Sowas wie 'ES putzt' in Esslingen, des machen wir jetzt auch hier in Tübingen, also den Müll wegräumen der überall rumliegt, Flaschen, Masken und so, bevor der erste Schnee kommt."

"Des laß mer g'falla", lobt der Polizist, aber fügt gleich hinzu: " Abr ned den Abschtand vergessa, gell? Schonscht koschts was. An schena Tag no!"

Später, als die Polizisten nach Dienstschluß nach und nach das Gebäude verlassen, stehen POM Häberle und sein Kollege im obersten Stockwerk und blicken sehnsüchtig in den Fahrstuhlschacht, aus dem die Kabine emporsteigen soll, die sie in den verdienten Feierabend nach unten tragen wird. 

"Sag amol," fragt Häberle vorsichtig seinen Kollegen, "findsch du des eigentlich richtig, daß mir die Leut einfach aufschreibet obwohl die garnix doa hend? An Haufa Arbeit wäga nix ond mer weuß etta, was dia vom Ordungsamt mit die Data vorhend ..."

"Mir werdet et für's Denka zahlt ... ond wenn's dr Minischtr sagt, was willsch macha? Hano, do kommt'r ja, dr Aufzug. Was machet ihr am Wochenend? Dei Familie ond du?"

"Grilla wolla mir, bei dem Weddr. Weusch ja nia, wie lang des no hebt, dr Sohn isch au do, vo Stuagart, mit dr Familie, Tochter kommt au mit ihre Leit, des wird schee ... amol älle wiedr zamm ..."




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