Freitag, 13. Dezember 2019

Zum Teufel an Weihnachten

Wutentbrannt rauschte Beelzebub, in eine dampfende Schwefelwolke gehüllt, zur Türe herein und knallte diese mit einer Vehemenz zu, daß der Rahmen zitterte und die alten Mauern außenrum gleich mit.
‘Was zum Teufel stinkt denn hier so?’ brüllte er erbost. ‘Man riecht es fast bis nach oben! Hast du schon wieder das Essen anbrennen lassen, Oma???’

Keine Antwort.

Hm.

War sie etwa ausgegangen? In ihrem Alter? In diesem Augenblick war deutlich weibliches Gekicher zu vernehmen und da außer ihnen beiden momentan niemand hier wohnte ... mißmutig stapfte er durch die Küche und betrat die dahinterliegende Wohnlandschaft. Seine Großmutter wälzte sich kreischend vor Lachen in den Polstern, auf dem Bildschirm lief irgendwas Kulturelles, ein Schauspiel?

‘Oma was soll das!’ schimpfte er vorwurfsvoll. ‘Ich komm hungrig heim und anstatt daß du mich mit was Leckerem empfängst und mir den Rücken kraulst, jaulst du vor dem Fernseher umeinander und verstinkst die ganze Bude!’

‘Hihiiiii, Belzi das ist sooooooooooooooooo cool,’ japste die Großmutter,’ich guck grad den ‘Jedermann’ und da spielt einer den Teufel sowas von akkurat, ich hab so an dich denken müssen, hihihiiiiii ...’

Der Teufel ließ sich genervt neben ihr in ein Fauteuil fallen: ‘Und mein Essen? Was ist mit meinem Essen? Ich hab HUNGER’ raunzte er. ‘Du hast doch sonst den ganzen Tag nix zu tun, ist es denn zuviel verlangt, daß du mir am Abend ein bissl was kochst, ohne dabei die Bude abzufackeln? Und nenn mich nicht immer Belzi. Mein Name ist Beelzebub E. Hagner! Das weißt du genausogut wie ich und wenn du bereits komplett vertrottelt bist und es dir nicht merken kannst dann kannst du es jederzeit an der Türklingel nachlesen, HIMMELarsch und Zwirn!’

Bei seinen letzten Worten war die Großmutter zusammengezuckt, ihr Lachen verstummte schlagartig und sie blickte starr auf die Wand neben dem gnadenlos weiterblökenden Fernsehgerät. Der Teufel rutschte unruhig in seinem Fauteuil umeinander, zupfte sich an den Nasenhaaren, und nahm dann ihre Hand.

‘Hör mal Oma, es tut mir leid, ich hätte das böse H-Wort nicht sagen sollen, es tut mir wirklich leid! Vielleicht hat dieser komische kleine Kerl mit dem verstümmelten Oberlippenbart doch recht: Rassen soll man nicht vermischen. Mit mir und der Menschin hat es nicht hingehauen, und du damals mit dem blöden Flügelheini ...’

‘Der war nicht blöd,’ flüsterte die Oma heiser, ‘der war alles andere als blöd. Sonst hätt ich mich ja nicht so verknallen können. Und daß du die Haushaltshilfe verjagt hast mit deinen trampeligen Annäherungsversuchen ist nun wirklich nicht irgendwelchen bescheuerten Theorien zuzuschreiben sondern allein deiner Flegelhaftigkeit. ICH habe dich nicht so erzogen Junge, es ist mir ein Rätsel nach wem du geraten bist, deine Mutter selig würde sich im Grabe umdrehen so sie denn eins hätte! Und daß ich nicht kochen kann ist auch nix Neues. Ich versuche es ja, immer wieder versuche ich es, aber Herrschaftzeiten, ich bin nun mal keine Hausfrau! Wir hatten für so etwas immer Personal.’

Der Teufel tätschelte tröstend ihre Hand: ‘Is ok Omi, is ok, gleich morgen geh ich rauf und schau nach einer neuen Köchin, versprochen! So, und nun schmeiß ich uns halt einen von den Lebenslänglichen auf den Grill, der freut sich wenn sein Leiden ein Ende hat, und meine Kegelschädel sind auch schon wieder voll ausgefranst, es schadet ABSOLUT nix wenn ich mir da den einen oder anderen neuen zulege. Wo hammer denn die Liste, hmmmm ja, der zweiunddreißigjährige Vergewaltiger vielleicht, der ist noch nicht so zäh, ach nee, der soll ruhig noch ‘ne Weile büßen ... ahja, hier ... die Ehebrecherin, also die hat ja eigentlich nix falsch gemacht, die können wir guten Gewissens erlösen und schmecken wird sie auch hervorragend, was meinst?’

‘Ach Bel ... zebub,’ seufzte die Großmutter, ‘eigentlich wollte ich uns ja Spaghetti machen, du weißt doch daß ich Menschenfleisch nicht mag, aber irgendwie ... laß ich mich immer ablenken ... und dann vergeß ich drauf ...’

‘Is doch egal Oma, du ißt halt dann den Salat von gestern, der is noch pfenniggut, und wie gesagt, morgen steig ich mal wieder hoch zu den Depperten und schau mich ein bissl um, ich find schon was. Und nun klaub ich mir die Fatma aus dem Pool und du kriegst dein Salätchen ... und dann gucken wir gemeinsam einen hübschen Thriller ... ach, nicht? Na gut, dann halt was Romantisches ...’

Bettina wühlte unentschlossen in der Kramskiste des großen Warenhauses im Norden der Stadt- eigentlich hatte sie weder Zeit noch Geld um ausgedehnte Einkaufsorgien zu veranstalten, aber an Weihnachten bei den neuen Schwiegerleuten ohne Geschenk aufzutauchen - das ging ja mal garnicht, also mußte unbedingt eine Kleinigkeit her. Günstig, aber nicht billig, und obendrein etwas, das den Eindruck erweckte, sie habe sich tatsächlich Gedanken gemacht.

Hatte sie auch, aber weniger über das Geschenk, eher darum, ob sie wirklich noch länger mit ihrem Freund zusammenbleiben wollte. Jemand, der fast jede Woche eine andere Ausrede hatte, um sowenig Zeit wie möglich mit ihr verbringen zu müssen, und der zudem erst nach heftigem Drängen ihrerseits überhaupt dazu bereit gewesen war, sie endlich mal seinen Eltern vorzustellen ... da hatte der Spaß doch schön langsam mal ein Loch.

Aus jeder Ecke, in jeder Abteilung, dröhnte Weihnachtsmusik in migräneerzeugender Lautstärke. Es wurde wegen Weihnachten nach Hause gefahren, es wurde dem im Vorjahr verschenkten Herz nachgetrauert, es wurde geklingelt und gescheppert was nur ging ... und - was war DAS denn? Da saß doch tatsächlich ein riesiger Weihnachtsmann mitten in der Einkaufspassage und verteilte grinsend Gutscheine für ... Bettina kniff ihre Augen zusammen um besser sehen zu können: Kochtöpfe! 50% Rabatt auf Kochtöpfe! Ernsthaft jetzt? Wer kaufte denn an Weihnachten Kochtöpfe!

Hilflos in der Menge eingekeilt und unweigerlich weitergeschoben, näherte sich Bettina unfreiwillig dem teuflisch grinsenden Nikolaus, der weiterhin nach rechts und links seine buntbedruckten Gutscheine anbot ... bis sie selbst so ein Teil direkt unter ihrer Nase fand. Reflexartig langte sie zu, sah dem Weihnachtsmann in die Augen, erschrak vor seinem glutäugigen Blick und fühlte sich mit einem Mal ziemlich schwach. Du meine Güte, was war denn jetzt los? Hatte sie das Frühstück ausgelassen? Auf zittrigen Beinen stakste sie weiter in Richtung Sitzgruppe, spürte wie ihr das Blut aus dem Gehirn wich, griff hilflos ins Leere und sackte inmitten der wogenden Menschenmassen in sich zusammen.

Als sie wieder zu sich kam, lag sie weich gebettet auf roten Ärmeln und fühlte sich leicht, schwebend, wie auf Wolken ... Wolken? Rote Ärmel? Hastig hob sie den Kopf und ... blickte direkt in die neckisch grinsenden Augen des Weihnachtsmannes.
‘Na, gut geschlafen?’ lachte dieser sie an. ‘Sag mal, kannst du kochen?’

‘Kochen?’ fragte Bettina verwirrt. ‘Ob ich kochen kann? Was ist das jetzt für eine Frage. Hilf mir lieber mal auf. Wie heißt du eigentlich? Äh ja, und danke fürs Auffangen. Blöder Kreislauf. Und ich hab keine Banane dabei. Und ja, ich kann kochen. Aber für mich alleine lohnt die Mühe nicht und mein Freund ... naja, der hat nie Zeit ... aber das interessiert dich jetzt sicher weniger. Wie sagtest du war dein Name? Ich heiße übrigens Bettina.’

‘Ich hab noch garnix gesagt beste Bettina’, feixte der Nikolaus, aber das läßt sich nachholen.’ Vorsichtig stellte er sie auf ihre eigenen Beine wobei er seinen Arm länger als unbedingt notwendig um sie geschlungen hielt - sie spürte, wie eine wohlige Wärme von ihm ausging und wünschte sich irrsinnigerweise, er würde sie nie mehr loslassen.

Ihm schien es ähnlich zu gehen. Nur widerwillig löse er sich von ihr und sah sie durchdringend an: ‘Hör zu Bettina, das kommt jetzt sicher etwas plötzlich für dich, aber ich suche dringend eine neue Köchin. Meiner Oma wächst der Haushalt zusehends über den Kopf, und ganz ehrlich, ich hab den Job mit den Flyern nur deswegen angenommen, weil ich hoffte, auf diesem Wege rasch an mein Ziel zu kommen. Und nun, da ich dich getroffen habe, würde ich dich am liebsten auf der Stelle mitnehmen. Nicht nur als Köchin, am liebsten als meine Gefährtin, Geliebte und ... Ehefrau. Bettina ...’ er sank vor ihr auf die Knie und sah sie von unten herauf sehnsuchtsvoll an: ‘Bettina, willst du meine Frau werden?’

Bettina wußte nicht mehr wo ihr der Kopf stand, der Lärm aus dem Einkaufszentrum hatte an Intensität zugenommen, es klang nicht mehr wie Musik, mehr wie ... ein lautes Scheppern? In diesem Augenblick erwachte sie und ja, in der Tat, der Krach kam von ihrem Wecker der lautstark auf dem Nachtschränkchen ratterte und fast von der Kante gefallen wäre, hätte sie ihn nicht im letzten Moment aufgefangen.

Irrer Traum. Ein Weihnachtsmann der einen Heiratsantrag ... du meine Güte! Im nächsten Moment saß sie kerzengerade im Bett. Morgen war doch das Treffen mit den Eltern des Freundes und sie hatte TATSÄCHLICH noch kein Geschenk. Langsam ließ sie sich wieder zurück in die Kissen sinken und spürte genüßlich nach, wie sich die Arme des rotgewandeten Mannes um ihre Taille angefühlt hatten. Leos Arme hatten niemals solche Gefühle in ihr ausgelöst. Ob sie nicht vielleicht tatsächlich mal rauffahren sollte ins Donauzentrum, bissl durch die Geschäfte schlendern, auf der Suche nach ihrem Traum-Weihnachtsmann?

Zeitgleich saß der Teufel zufrieden auf der Kante des Springbrunnens im Donauzentrum und ließ seine Beine baumeln. Er wußte, es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er seiner Oma die neue Köchin präsentieren konnte. Was war schon dabei, dem Schicksal ein bissl nachzuhelfen, wenn man schon übernatürliche Kräfte hatte?



Sonntag, 8. Dezember 2019

Wolke mit Aussicht


Ich hätte es ahnen können. Sollen. Eigentlich müssen. Die Sauferei hatte über die letzten Jahre kontinuierlich zugenommen, von all den anderen Drogen, die er bei jeder sich bietenden Gelegenheit einpfiff, ganz zu schweigen - aber der Alkohol war am Schlimmsten weil er einfach nichts vertrug. La gueule du bois. Klingt wunderschön, aber wenn dein Liebhaber und Chef bald jeden Tag mit diesem ‘hölzernen Gesicht’ unterwegs ist und dich aus dem Stand anblafft wegen nichts, dann ist daran nichts mehr schön, nur noch verwunderlich.

Nämlich, daß ich ihn nicht schon längst verlassen hatte. Aber wie ich Oleg kenne, hätte er mich dann glatt von der Co-Autoren-Liste gestrichen und meine ganze Arbeit, an die achtzig Papers hatten wir bereits veröffentlicht über die Jahre, wäre umsonst gewesen. Teuer bezahlter Ehrgeiz.

Jetzt lümmelte ich tot auf meiner Wolke umeinander und er hockte in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Wo er wahrscheinlich eh nicht mehr viel mitbekam. Wirklich leid tut es mir um die Kinder. Irgendwie traue ich es seiner Noch-Ehefrau nicht zu, die beiden im Alleingang versorgen zu können. Große Gefühle hatte sie ihrem Nachwuchs gegenüber auch vorher schon nicht gehabt, zumindest hat er mir das so erzählt. Sie habe einer Schwangerschaft nur zugestimmt, um ihn trotz seiner promiskuitiven Ausflüge an sich zu binden.

Aber egal, von hier oben konnte ich nicht eingreifen, konnte nichts beeinflussen, nur beobachten und lernen. Fürs nächste Leben. Ein Leben ohne Männer. Und ohne Holzofen.

Natürlich denkst du dir nichts dabei, wenn jemand Axt und Säge in der Wohnung hat, wenn er jede Woche einen Haufen Holz kleinzumachen hat. Und wenn man schon einmal im Wald ist, dann schießt man sich auch mal ein Kaninchen oder was einem so vor die Flinte läuft.

Bei uns läuft es nun einmal nicht wie im Westen, wo man sich den Sonntagsbraten bequem beim Metzger kaufen kann. Das können bei uns nur Leute mit Connections. Die mit ihren Dollarscheinen in bestimmte Läden Eintritt erhalten wo du echt ALLES bekommst. Sogar echten Kaviar. Nicht, daß mir der je geschmeckt hätte, aber nur mal so als Beispiel. Weil die Leute ja immer glauben, bei uns in Rußland würden alle Kaviar essen. Pustekuchen.

Das gemeine Volk muß schauen, daß es halbwegs über die Runden kommt, und dazu gehört auch die Wilderei. War gefährlich, ohne Frage, aber Oleg hatte den Napoleon nicht nur im Detail studiert, er war mit der Zeit auch genauso größenwahnsinnig geworden wie sein kleinwüchsiges Vorbild.

Wer würde es wagen, mich zu kontrollieren, Nastenka, lachte er mich aus wenn ich zur Vorsicht mahnte. Nastenka! Frechheit, meinen Vornamen so zu verstümmeln! Alleine dafür hätte ich ihn verlassen sollen, und es wäre beim Verstümmeln des Vornamens geblieben. Naja, hätte hätte Herrentoilette, die Reue kommt eindeutig zu spät.

Nur gut, daß mein Astralkörper nicht genauso zerstückelt hier angekommen war wie mein Erdenkörper nach dem Mord ausgesehen hatte. Wahrscheinlich mußte ich noch froh sein, daß er mich zuvor erschossen und nicht bei lebendigem Leib zersäbelt hatte, wie ein wahnsinnig gewordener Zauberkünstler der nicht mehr mitbekommt, daß seine Vorstellung gerade gewaltig danebengeht und seiner schreienden Assistentin vor schreckensstarrem Publikum in blinder Wut den Kopf absägt.

Seine Wutanfälle waren wirklich legendär. Für einen Russen hatte er, wie bereits erwähnt, relativ wenig Alkohol vertragen, nahm daher auch sehr gerne andere Stimulantien zu sich, beispielsweise LSD. Oder was er dafür hielt. Die Leute von der Fakultät für Chemie konnten einem ja erzählen was sie wollten. Wer weiß, was sie sich da immer so zusammengepantscht hatten. Abends, oder am Wochenende, wenn sie die Gerätschaften für sich hatten und angeblich irgendwelche Versuchsreihen für ihre Doktorarbeiten vornehmen wollten.

Ja und der Oleg, der hat das Zeug begeistert geschluckt, die zunehmende Unschärfe im Gehirn nahm er billigend in Kauf, und weil er schon immer ziemlich exzentrisch gewesen war, fiel es nicht weiter auf, daß er immer g’spinnerter wurde. Jedes Jahr ein bissl mehr. Aber bitte, der Herr Professor - als mehrfach geehrtes und ausgezeichnetes Mitglied der sozialistischen Oberschicht kannst du dir einiges erlauben und kommst damit davon.

Wie zum Beispiel die Sache mit Miranda damals. Mir hatte er erzählt, sie hätte sich nur dafür rächen wollen, daß er kein Interesse mehr an ihr gezeigt und die Beziehung abrupt beendet hatte. Ich war damals noch ein Schulmädel gewesen vor dem man solche Dinge tunlichst geheimhielt: Sadomaso-Spielchen, Sex überhaupt, und Professoren, die ihre Freundin quasi auf Bestellung grün und blau schlugen, sowieso.

Wenn es nicht schon so lange hergewesen wäre, hätte ich mich natürlich wundern müssen, warum sie ihn dann hätte anzeigen sollen. Wenn sie es doch so gewollt hatte? Wenn es in beiderseitigem Einverständnis so ausgemacht worden war?

Aber so ... so war mir das Schreiben des Anwalts nur rein zufällig zwischen die Finger geraten während ich seinen Schreibtisch aufräumte. Zuerst hatte er einen seiner Wutanfälle bekommen, der Speichel war ihm aus dem Mund gespritzt wie der Morgentau aus der Wiese wenn man ganz schnell mit dem Fahrrad durchfährt, er hatte das Papier zerfetzt und im Zimmer umeinandergeschmissen wie Konfetti - sich dann aber relativ rasch wieder beruhigt und von oben herab erklärt, daß die Tatsache, daß die Anklage nie vor Gericht gekommen war, doch wohl für sich spräche.

Damals habe ich ihm gerne geglaubt. Blauäugig, ich weiß, aber wer sieht schon seinen bewunderten, zugegebenermaßen etwas cholerischen, professörlichen Liebhaber gerne als ein Monster, das seine Freundin prügelt?

Inzwischen frage ich mich, wieviele Mädels in St. Petersburg es wohl gibt, die ähnliche Geschichten zu berichten hätten wie Miranda damals, die nur entweder nicht den Mut hatten, zur Polizei zu gehen damit, oder aber bereits zerteilt in der Moika schwammen. Wieviele Frauenleichen passen in einen Fluß bevor er übergeht?

Natürlich sind auch nicht alle Polizisten so wie Wasilj Petrow, der letztendlich die Ermittlungen zu meinem Fall übernahm. Ihm hätte ich mich gerne anvertraut, hätte ihm meine Sorgen und Bedenken geschildert und mich von ihm beraten lassen.

Als man ihm den Fall übergab war ja bereits alles klar. Oleg war im Vollrausch ins Wasser gefallen als er anfangen wollte, meine Leiche Stück für Stück zu entsorgen, was man ja am besten in der Nacht macht bevor der Hahn kräht. Nachdem sie ihn prustend und fluchend aus dem Fluß gezogen hatten, sah einer der Retter im Schein der Laterne, wie es rot aus dem Rucksack tropfte, vermutete Wilderei und rief die Polizei. Die auch prompt eintraf, aber statt des erhofften Kaninchens zwei menschliche Arme vorfand. Meine Arme. Am rechten Handgelenk baumelte noch das Freundschaftsband, das er mir keine zwei Wochen zuvor geschenkt hatte, lediglich die Farben waren ein bissl verwässert.

Ob es etwas am Lauf der Dinge geändert hätte wenn ich Wasilj eher kennengelernt hätte? Noch am Leben, sozusagen an einem Stück?



Montag, 4. November 2019

End of Blue Friend

In a way, I have been quite content, recently, writing my book. Copying my journal, mixing in some thoughts about Gusti - but now, I'm sort of stuck.
So I go for a walk.
I always go for a walk whenever I need to think something over.

I DO have a fertile imagination, that's not the problem. For instance, the other day in our writing group I invented a little blue man who can make himself invisible. To anyone but me.

I leave the houses behind me and enter the not so very dense woods in the North of Munich. I'm not wearing my glasses so I jump with shock when all of a sudden a blue streak comes zig-zagging from behind a truck which is parked on a small car park near the Autobahn, and a booming voice is heard:
'Aha, so it's you again. Can you see me? Can you see where I am right now?'

I don't believe it! This wee bloke I invented is running circles all around me, booming at me, taunting me and having a real good laugh at my expense.

'Jesus, you gave me a fright! Why are you here? I thought you'd gone back to your planet?'
'Aye fer sure,' booms he, 'but who say I got to stay there?'
'Ah well,' I try to taunt him back, 'mission not so well accomplished after all then? What was it again? To find a truly innocent soul so you could try and reduce the malignity level of your fine bretheren up there? For which reason I was left behind because I wasn't good enough company for you and the two old blokes you deigned to take with you?'

'I WAS watching you, you know, and I wondered if you'd like some help with your life. Direction of, so to say.'
'That's mighty kind of you,' I manage not to sound TOO condescending, 'but ...'

'Hah,' quoth he, 'you think it's a prank, right? It isn't, though. I'm trying to help you in your best interest. So let me give you this little piece of advice: In your book, don't just focus on your feelings and thoughts when writing about your experience with the clinic personnel. It's boring. People want stories. They want juicy bits, they want ACTION!'

As if on cue, the big lorry behind us starts his engine and comes rolling towards us so quickly, that we have to jump aside in order not to find ourselves flattened to the tarmac.

' You mean I ought to invent a bit of a clandestine love story that went on there and build everything around it? But what I was after was to criticise the German Health System, wasn't I?'
'Ah, you're such a nag-bag. Always complaining, always putting things into a negative light ... it's boring! No one wants to read your going on and on about how you couldn't sleep and you'd rather go outside instead of sitting in your room being tired.'

'Ah. But - what do you suggest? Other than trying to invent a love story?'

'Never mind your thoughts, we need something people can identify with. A common determinator. Write about FEAR, about LONELINESS, about the feeling of being a LOSER. Which can't be all that difficult, seeing as how you are ...'

To this day, the Munich hikers are wondering where the large blue smudge comes from that suddenly appeared in the middle of the parking space between the Autobahn and Oberschleißheim Flughafen.
They might wonder why someone dropped a bucket full of blue paint in the woods?

Little do they know it's all that's left of a preposterous blue dwarf who thought he could just come back to haunt and criticise me. After all, I'm not writing to please others. I write, therefore I am. And I definitely am NOT a loser!


Samstag, 31. August 2019

Herr Hangholm und die Pfauen

Fesch war er schon, der Cousin Fredi, die Mädels waren hinter ihm her wie verrückt und jede, auf der seine seelenvollen braunen Augen länger als unbedingt notwendig zu ruhen schienen, lief danach tagelang durch das Städtchen als habe er sie tatsächlich geküßt oder ihr gar etwas versprochen.

Cousin Fredi seinerseits wußte sehr genau, wie weibliche Wesen, denen ein Mann was versprochen hatte, sich gebärden konnten. Seine Schwester Jadwiga pflegte seit geraumer Zeit den Abendbrottisch nicht nur mit selbstgebastelten Serviettenringen sondern auch mit in epischer Breite dargebrachten Schilderungen ihrer amourösen Abenteuer aufzubereiten. Es war die Rede von heimlichen Treffen hinter dem Kramerladen, von heißen Knutschereien an St. Patrick's Day und gar von Verabredungen mit Jungs im Nachbardorf.

Der Vater glänzte meist durch Abwesenheit, den Göttern sei Dank, und das sorgenvolle Gesicht der Mutter konnte auch durch die wildesten Geschichten, trotz des Wissens darum, daß sie höchstwahrscheinlich sowieso zum Großteil erfunden waren, nicht mehr sorgenvoller werden als es sowieso schon war.

Dabei war alles tatsächlich ausgesprochen harmlos - bis Jadwiga auf Herrn Hangholm traf. Wie genau sie ihn kennengelernt hatte kam nie zur Sprache, und Fredi, damals bereits erwachsene 14 Jahre alt, konnte absolut nicht begreifen, was die Schwester an dem kuriosen Typen fand. Herr Hangholm war Amerikaner, daher hieß er so komisch, und wohnte, ein nicht wettzumachender Vorteil gegenüber den Jungs in Jadwigas Alter, in einem eigenen Haus. Sturmfreie Bude, sozusagen. Das Haus stand alleine, keins dieser üblichen Reihenhäuser mit handtuchgroßem Vorgarten und einer Ansammlung rostiger Geräte im Hinterhof, nein, es besaß einen wunderschönen großen Garten in dem Rosenbüsche wuchsen, Schmetterlinge tanzten, Bienen surrten und die Idylle nur ab und an vom heiseren Schrei der Pfaue durchbrochen wurde. Ja, Herr Hangholm hatte Pfaue im Garten. Drei kleinere, unscheinbare braune Weibchen und zwei prächtige, in sämtlichen Blautönen schillernde Männchen.

Böse Zungen spotteten, es sei ein Wunder, daß Herr Hangholm andere männliche Wesen in seiner Nähe duldeten, doch kein Gerede der Welt konnte Jadwiga davon abhalten, sich ihrerseits in die gefährliche Nähe des Amerikaners zu begeben, mit ihm ausgedehnte Landpartien zu unternehmen und sich auf Abendgesellschaften neben ihm im hochgeschlossenen Kleid zu bewegen wie eine Dame.

Die einstmals begeisterten Schilderungen am Abendbrottisch waren ausweichenden Andeutungen gewichen, behutsames Nachfragen der Mutter wurde lediglich mit verschämtem Erröten und zitternden Händen quittiert an deren einem Finger nun ein klobiger Ring zu bewundern war. Auch Fredi wurde nicht mehr ins Vertrauen gezogen - zwar konnte er ihr heimlich bis zu Herrn Hangholms Haus folgen, doch was sie dort drinnen trieb blieb ihm trotz heroischer Anstrengungen stets verborgen, blickdichte Vorhänge verbargen solidarisch jegliches Geschehen innerhalb der Hangholmschen Mauern vor etwaigen neugierigen Blicken aus nußbraunen Bubenaugen.

So ging der Sommer munter dahin, es wurde Herbst, die Blätter fielen nach und nach von den Bäumen, die Pfauen ließen sich nur mehr selten blicken, und eines Tages war Herr Hangholm einfach verschwunden. Jadwiga sperrte sich für zwei Tage in ihrem Zimmer ein, erschien danach wieder am Abendbrottisch, zwar mit roten Augen aber gefaßt, und nach wie vor nicht bereit, sich in irgendeiner Weise zu den Vorgängen im Hause Hangholm zu äußern.
Die Pfauen wurden vom RSPCA in den Tiergarten der nächsten größeren Stadt verbracht und das Haus schien während der folgenden Jahre immer mehr zu schrumpfen, als ob Mutter Erde den Mauern ihre Bedeutung entzöge und sie daher geschwächt immer tiefer in den Boden hineinsänken.

Und dann wurden auf einmal dieses Skelett im Wald ausgebuddelt. Ganz klassisch, vom Hund eines Spaziergängers, einem Sommerfrischler, der während seines Urlaubs das Cottage oben am Waldrand gemietet hatte. Der lokale Police Constable befragte alle und jeden, der Sommerfrischler reiste mit bleichen Wangen ab und nur Fredi sah das befriedigte Blitzen in Jadwigas Augen als das Verfahren nach zugegebenermaßen eher oberflächlichen Untersuchungen eingestellt wurde. Gewaltanwendung konnte oder wollte nicht wirklich nachgewiesen werden, schließlich handelte es sich lediglich um einen Amerikaner, den sowieso niemand vermißte.

Seither war Fredi äußerst vorsichtig im Umgang mit den Damen und ließ seine sommerbraunen Augen niemals länger als unbedingt notwendig auf einem weiblichen Wesen ruhen, stets bedacht darauf, daß sie niemals die Idee bekommen sollte, er hätte einer von ihnen etwas versprechen wollen ...



Freitag, 19. Juli 2019

Der Geist des Weines


Als ich mich im Internet bei dieser Schreibgruppe angemeldet hatte, klang eigentlich alles

ziemlich wunderbar. Toll, dachte ich, und das alles auf Englisch, das wird bestimmt phänomenal! Endlich mal Leute treffen, die gerne und gut Englisch sprechen und die alle ein gemeinsames Hobby haben: Schreiben!


Gut gelaunt traf ich also am Treffpunkt ein und gesellte mich zu den bereits dasitzenden Mädels.

Die mich komplett ignorierten.

Mein leise vorgebrachtes: ‘Seids ihr die Schreibgruppe?’ wurde von der mir am nächsten sitzenden Person mit einem kurzen ‘Ja’ beantwortet und schon befand sie sich wieder im Gespräch mit den anderen.

Toll. Genau meine Lieblingssituation: Du stößt zu einer Gruppe Leute hinzu die sich alle schon kennen - und wirst komplett ignoriert.

Scheißgefühl.


Ich besann mich auf den Grund, weswegen wir uns hier versammelt hatten, zog Block und Stift aus der Tasche und begann zu schreiben. Den Anfang einer Geschichte, die mir schon länger im Kopf herumgeistert. Um mich herum verebbten langsam die Gespräche und bald war nur noch das Klappern der Tastaturen zu hören.


Eigentlich hätte ich ja nun zufrieden sein können, jedoch fühlte ich mich minütlich unwohler und aufs Klo mußte ich auch. Als ich es wirklich nicht mehr aushielt, steckte ich meine Schreibutensilien ein, packte meinen Rucksack und, um die Konzentration der schreibenden Elite nicht zu stören, verschwand ohne mich zu verabschieden, rannte heulend durch den Bahnhof und fühlte mich mal wieder wie das einsamste Wesen auf der ganzen Welt.


Um mich herum hetzten die Leute vom Zug, zum Zug und um die Züge herum, ich wollte eigentlich nur auf die Toilette … und dann ab auf den Friedhof. RUHE! Einfach nur Ruhe.


Aber die hat man ja heutzutage nicht einmal mehr am Friedhof. Zuerst stakte Frau Hammer vorbei mit ihren saublöden Nordic-Walking-Stöcken: Klack, klack, klack, klack … wie soll man sich denn da auf seine Geschichte konzentrieren???


Kaum war sie weg, kam sie auf einem anderen Weg wieder zurück: Klack, klack, klack, klack … daß denen das nicht selber am Nerv geht?  Keine drei Zeilen hatte ich geschrieben, da dröhnte ein orangefarbenes Auto daher, blieb GENAU vor ‘meiner’ Bank stehen, stank und lärmte, ein Mitarbeiter sprang heraus und spritzte etwas Undefinierbares unter die Bank neben mir. Da blieb nur noch die Flucht.


Im vorderen Teil des Friedhofs waren alle Bänke besetzt, es war Mittagszeit und die Menschen aus den umliegenden Kliniken und Büros verbrachten gerne ihre Mittagspause hier, was es für mich nicht leichter machte, endlich mal einen ruhigen Winkel zu finden. Kaum hatte ich mich erneut niedergelassen, kam ein Pudel dahergelaufen und begann wie wild auf mich einzubellen. 


‘Heast Oida, schleich di!’ keppelte ich ihn an, ich wollte endlich meine RUHE haben und hielt genervt nach dem Frauchen (oder Herrchen) Ausschau. Jedoch, es zeigte sich niemand, dem der Hund zugehörig zu sein schien. Hm. Die Töle hörte nicht und nicht das Kläffen auf, tanzte unruhig auf und ab, und hockte ich schlußendlich auf die Hinterpfoten und schaute mich treuherzig an.


‘Wos wüst, I hob ka Wurstsemmerl oiso geh in Oasch!’ herrschte ich das dumme Vieh an, das jedoch keinerlei Anstalten machte, dieser herzlichen Aufforderung Folge zu leisten, stattdessen machte es sich neben der Bank bequem und schaute mich mit dunklen, rätselhaften Augen an, fast schien es mir, als ob er grinste. Nun, nachdem die Wahrscheinlichkeit, daß er mich fressen wollte, relativ gering war und ich auch echt keine Lust hatte, erneut auf die Suche nach einer freien Bank zu gehen, rutschte ich ans andere Ende der meinigen, weg vom Hund, und schrieb weiter an meinem Text: ‘The sun had just come out, the birds were singing their heids off, and Earl Nicolaus’ shoes were making a crunching noise while he was walking all over them on the way to his nasty little car.’


‘Hrrrrrrrmphhh’ ertönte es hinter mir, ich fuhr auf wie von der Tarantel gestochen: ‘Waaaaah!’, drehte mich um und sah einen seltsam gewandeten Mann grinsend hinter meiner Bank stehen. Ich starrte ihn mit offenem Mund an, er umrundete die Bank, nahm vor mir Aufstellung, verbeugte sich wie beim Elmayer und sprach: ‘In Anbetracht der Textausschnitte, sei sie in unserm Bund die dritte?’

‘Häwas?’ antwortete ich intelligent.


‘Die Vögel’, erklärte er. ‘Es geht um die Vögel. Wir haben bereits eine sehr grausliche Adaption des Aristophanes geliefert, ebenso Kollege Hitchcock, ebenfalls ein veritabler Frauenverächter wenn ich dazu etwas sagen darf, wußte sich des Themas elegant anzunehmen und nun Sie, meine Verehrteste. Singing their heids off, köstlich, köstlich …’


‘Ist das Ihr Hund?’ fiel mir dazu nur ein - er verneinte lächelnd und meinte: ‘Aber wir kennen uns, schon ziemlich lange, nicht wahr, Stoffi?’ ‘Wuff’ machte Stoffi und lechzte ihn freudig an.


Irgendwie kam mir der Kerl bekannt vor, aber erstens einmal stand er so, daß ich gegen die Sonne gucken mußte wenn ich in seine Richtung sah, und zweitens ist mein Gedächtnis sowieso nicht das beste wie jeder weiß der mich kennt.


‘Nun’, hub er wieder an zu sprechen ‘darf ich es vielleicht wagen, dem Fräulein meine Gesellschaft anzutragen?’ Ich blinzelte verwirrt zu ihm auf und nun durchfuhr es mich wie ein Blitz: Der Mann der da vor mir stand war kein anderer als Freiherr von Goethe! Aber der lag doch in Weimar begraben hätt ich gedacht? Was macht der jetzt da am Münchner Südfriedhof?


‘Bin weder Fräulein noch allein, doch mag er bleiben mit Bedingnis, mir die Zeit durch seine Künste würdig zu vertreiben,’ grinste ich boshaft und zwinkerte dem Pudel zu.


‘’Ah,’ meinte Goethe, da ist jetzt aber was ein bissl durcheinander, aber wenn Madame gestatten, dann bin ich so frei …’ und schwupps saß er neben mir auf der Bank. Meine Nerven, dachte ich, das wenn ich in der Klinik erzähle dann komm ich um die Zwangsjacke nicht rum. Aber die Neugier trieb mich sogleich zur nächsten Frage: ‘Und wieso seid Ihr jetzt hier? Ich dachte Ihr wohnt in Weimar? Und wie war das jetzt damals mit dem Fenster?’

‘Welches Fenster?’ fragte der Geheimrat verwirrt.

‘Na das Fenster im Gartenhaus, nachdem Ihr von Italien zurückgekehrt seid. Das ihr habt zumauern lassen.’

‘Nun, zunächst, wir können uns durchaus normal unterhalten, also mit Sie anreden, ich bin ja nun doch schon eine Weile tot und schau mir immer wieder gerne das Leben und Treiben an, da gewöhnt man sich rasch um … ja das Fenster, naja, die Vulpius hat es gestört, daß es ihr immer so im Rücken zieht wenn sie mir Modell gestanden ist, also hab ich es zumauern lassen, schließlich bin ich Kavalier.’

‘Naja, da hab ich was anderes gehört, aber a propos Vögel … wissen Sie, daß Sie und Hitchcock dieses Monat bei einer Umfrage, wer der Dichter des Monats sei, genau gleich viele Stimmen erzielt haben?’ 

‘Nein!’

‘Doch!’

‘Ooohh!!! Und was für eine Umfrage wenn ich fragen darf?

‘Naja, auf einem Erotikportal. Im Internet. Wenn Sie davon schonmal was gehört …’

‘Ich bin doch nicht von vorgestern!’ unterbrach mich der Freiherr empört, ‘Natürlich habe ich schon vom Internet gehört, das ist ja überall. Aber ein Erotikportal, wie darf ich mir das vorstellen? Ein Torbogen, unter dem die willigen Damen sich zum Stelldichein mit den Herren verabreden?’


‘Nicht ganz. Die Menschen suchen sich ja ihre Sexpartner heutzutage im Internet und zu diesem Zweck gibt es dort sogenannte Portale, wo man Kontaktanzeigen aufgeben oder sich sonstwie finden und verabreden kann.’

‘Also praktisch ein virtueller Torbogen, wie charmant! Und dort werden Umfragen gemacht? Um ins Gespräch zu kommen?’

‘Oder auch einfach so, zur Unterhaltung, damit es nicht immer NUR um Sex geht.’

‘Und warum,’ fragte der Geheimrat eitel, ‘hat man mich dann zusammen mit Herrn Hitchcock an die Spitze gewählt? Denn ich nehme einmal an, daß wir gemeinsam an der Spitze liegen. Schließlich habe ich mit dem Manne nichts gemeinsam, auch habe ich niemals eine Frau gefoltert und gequält, stets war mein ganzes Trachten, sie untertänigst anzuschmachten …’

‘Naja Herr Goethe, nichts für ungut aber auch da hab ich was anderes gehört … und warum die Leute ausgerechnet Sie beide … es wird am Ende doch wieder alles mit dem Vögeln …’

‘Den Vögeln, Verehrteste, den Vögeln.’ berichtigte mich der Geheimrat eilig, ‘wir wollen jetzt nicht in vulgäre Ungereimtheiten …’


Errötend saß ich neben ihm und spielte mit meinem Füller. Nun hatte ich schon einmal einen echten Superstar leibhaftig neben mir sitzen und mir fiel NICHTS ein, was ich ihn fragen könnte. Nicht, daß er meine bisherigen Fragen oder Andeutungen auch nur in halbwegs befriedigender Form beantwortet hätte, aber dennoch.


‘Sagen Sie,’ ergriff er nun wieder das Wort, ‘dieser Torbogen im Internet, könnte ich dort wohl auch ein Rendez-vous bekommen? Es ist nun doch schon eine ganze Weile her, daß ich mit einer Frau ein Tête-à-Tête hatte.’

‘Ich glaube eher nicht,’ erwiderte ich grinsend, ‘man muß sich ja registrieren, und ich kann mir nicht vorstellen, daß die Moderatoren eine Adresse wie ‘Historischer Friedhof Weimar, Fürstengruft’ als Adresse akzeptieren würden.’

‘Ah, nein. Verstehe. Und wenn Sie dort für mich ein Wort einlegen würden, sozusagen eine Empfehlung aussprächen?’

‘Sehr verehrter Herr Geheimrat, im Internet funktioniert das so nicht wie bei Ihnen damals, da braucht man einen gültigen Wohnsitz, eine Kreditkarte und am besten auch noch ein Mobiltelefon! Und ich glaub, das haben Sie alles nicht. Was ich mich eh die ganze Zeit schon frage: Wie machen Sie das mit dem Körper? Ectoplasma ist das doch sicher keins, das wäre doch viel zu anstrengend, so lange Zeit … woher haben Sie den Körper? Der schaut täuschend echt aus!’


Mein Geheimrat räusperte sich und sah auf seine Armbanduhr. Armbanduhr? Ein Geist mit Armbanduhr??? 

‘Verehrteste, Sie sagen es, ich bin schon wieder viel zu lange unterwegs, es wird Zeit, mich in meine Gruft zurückzuziehen … es hat mich sehr gefreut, Sie getroffen zu haben, wollen gnädige Frau mir vielleicht ihre Mobiltelefonnummer nennen, im Fall daß ich noch Fragen habe zu irgendwelchen neumodischen Torbögen oder ähnlich verwirrenden Sujets?’


Ich schrieb ihm meine Nummer auf einen Zettel, obwohl ich mich dabei fragte, wie er telefonieren wollte, aus seiner Gruft heraus, wo er sicher keinen Empfang hatte, aber gut, man wußte ja nie, und irgendwoher hatte er ja wohl doch immer wieder einen Körper … woher auch immer. 


Der Geheimrat verabschiedete sich mit einer perfekten Verbeugung und einem angedeuteten Handkuß, drehte sich elegant auf dem Absatz um, pfiff nach dem Hund ‘Stoffi, bei Fuß!’ und schritt leichtfüßig von dannen.


Als ich wenig später den Friedhof durch den Nordausgang verließ, sah ich die Plakate am Stephansplatz hängen: 


Großes Dichterfest im Gärtnerplatzviertel! Historisches Gewand erwünscht! 

Jeder Dichterfürst mit Perücke bekommt ein Glas Wein gratis!




Samstag, 1. Juni 2019

Der Waschbär

Neulich sind wir mal wieder so gesessen, die Jungs und ich, Michael war auch dabei und hatte sogar zwei Bier mitgebracht, als Einstieg sozusagen, damit es nicht gar so auffällt wenn er sich danach wie eh und je nur durchschnorrt, und es ergab sich bald das übliche langweilige Geschwätz von wegen ‘damals wie ich in Stein war …’ nur daß dieses Mal auch einer aus Deutschland dabei war und von Kaisheim erzählt hat. Dort war zeitgleich mit ihm auch eine gewisse ‘Tina’ gesessen, also eh ein Mann aber halt als Frau zurechtgemacht und das immerhin in den 70-er Jahren, in Bayern, also Respekt. In den Arsch von Tina hat ein ganzes Glas Kaffee hineingepaßt, also ich frag mich ja warum manche Informationen unbedingt geteilt gehören aber so ist es halt mal. Wenn man jetzt bedenkt, daß Kaffee und Tabak im Hefn die angesagte Währung sind … da bekommt der Begriff ‘Geld waschen’ eine ganz andere Bedeutung.

Nach einer Weile hat der Joe gemeint er geht jetzt zur Tierhandlung und kauft sich eine Ratte und ob wer mitgeht. Inzwischen waren wir schon gut pralle und uns war eh fad, Bier war fast aus, mußten wir sowieso ein bissl Geld besorgen um neues kaufen zu können, also warum nicht vorher mit zur Tierhandlung, cool, klar, gehen wir!

Keine Ahnung wieso, aber der Verkäufer in der Tierhandlung war voll genervt als er uns sah, da hat noch keiner irgendwas gesagt gehabt. Und Ratten hätten sie keine mehr, weil die Punks die immer klauen und nach einer Weile werden sie ausgesetzt und die Hausfrauen kriegen einen Herzinfarkt, das könne man nicht länger verantworten und wir sollten doch jetzt mal schleunigst schauen, daß wir aus seinem Laden rauskämen, die Leute würden schon schauen! Vollspießer. Die Leute schauen immer, ist das was Neues?


Nachdem wir uns unten am See mit einer frischen Runde Bier gestärkt hatten kam Nietzsche auf die Idee, in den Tiergarten zu gehen. Irgendwie klar - Tierhandlung - Tiergarten - entbehrt nicht einer gewissen Logik. Mir tun halt die armen Viecherln immer so leid wie sie eingesperrt vor sich hinsiechen oder stets dieselben drei Schritte vor und zurück machen weil im Käfig nicht mehr Platz ist und selbst wenn man sie dann in ein Freigehege gibt werden die Schritte nicht mehr, weil sie es so und nicht anders gewohnt sind. Aber die Jungs hat es total gefreut da drin, wahrscheinlich haben sie es genossen, ausnahmsweise mal auf der anderen Seite des Gitters zu sein.

Es war also eh ganz lustig, jedenfalls solange bis wir zu den Waschbären kamen. Nietzsche fing an, erregt auf und ab zu gehen, wir sahen uns besorgt an, wir kannten die Anzeichen, jetzt würde er mit irgendwas um die Ecke kommen was uns in arge Bedrängnis versetzen würde, aber widersprechen ging auch nicht, denn dann würde er böse werden und das will ganz sicher niemand, daß Nietzsche böse wird. Sozusagen epische Zahnarztrechnung. Muß man nicht haben.

‘August, das Tier erinnert mich an etwas, du weißt das, diese Maske um die Augen, August ich habe einen Plan!’

Wir duckten uns wie ein Mann, Nietzsche hatte einen Plan. August war bleich geworden und sah sich hektisch nach einem Notausgang um, aber Nietzsche kannte keine Erbarmen:

‘August, ich weiß jetzt was wir machen, wir machen eine Bank! Und zwar die am Keplerplatz, ich habe alles beobachtet, ab 11 Uhr ist bei denen Mittagspause da ist nur einer drin, da kann überhaupt nichts passieren.’

‘Hör mal, Nietzsche, das ist prima, echt! Voll geiler Plan! Ich geh grad nochmal aufs Häusl ok?’ 

August verschwand eilig hinter den Büschen und ich drückte mich unauffällig seitwärts in dieselben, nur rasch weg, bevor es zu spät war …

Ich hörte noch, wie Michael unwillig aufbegehrte, als er von Nietzsche am Ärmel gepackt wurde, aber es war keine Zeit zu verlieren, wenn es so schon losging dann war es höchste Zeit, zu verschwinden.

Dieser Ausflug war für lange Zeit der letzte, den wir in voller Besetzung unternommen hatten. Nietzsche und Michael sind am nächsten Tag in der Zeitung gestanden und wir wußten, daß wir sie nun ein paar Jahre nicht mehr zu sehen bekommen würden und es besser wäre, mal in Nietzsches Wohnung nach dem Rechten zu sehen, und die guten Schallplatten auf die Seite zu bringen, bevor die anderen alles ausräumten ...



Montag, 15. April 2019

Von Vogelgezwitscher geweckt


Ungewohnte Laute drangen am gestrigen Montagmorgen aus dem Fenster eines Wohnhauses in der Hintschiggasse im zehnten Bezirk. Wüstes Geschimpfe schallte durch das ansonsten als eher ruhig bekannte Viertel am Rande des Wienerbergs.


Unserem herbeigeeilten Korrespondenten bot sich ein verwirrendes Bild: Ein umgeknickter Baum lag quer über dem an den Gärten vorbeiführenden Fußweg, daneben diskutierten aufgeregte Hausbewohnerinnen heftig mit skeptisch dreinblickenden Polizeibeamten, ein schmächtiger Mann mit Kopfverband saß auf dem Baumstumpf und zündete sich mit zittrigen Händen eine Zigarette an.


Was war geschehen? Aufklärung bekam unser Reporter von einer der Anwohnerinnen, die sich neugierig aus ihrem Fenster im Erdgeschoß lehnte: ‘Noja, heans, es woa ja ned mea zum Aushoidn, jedn Muang uma hoiba viere des Geplea von de Vogerln, do iser hoit auszuckt und hod an Baam umag’haut!’

Folgendes hatte sich zugetragen: Anfangs eine 'eh gute Idee', wurde aus dem Projekt ‘Nistplätze für unsere heimischen Singvögel’ sehr schnell ein Albtraum für den Schichtarbeiter Werner N. Der biedere Mann kam meist gegen elf Uhr abends von der Arbeit, aß noch eine Kleinigkeit vor dem Fernseher und begab sich gegen Mitternacht zur Ruhe. Welche jedoch nicht lange anhielt, da direkt vor seinem Schlafzimmerfenster jener unselige Baum stand, in dem die eifrigen Naturschützerinnen von der Stiegen nebenan ihre selbstgesägten Nistkästen aufgehängt hatten, auf daß sich die Vogelwelt dort zum Zwecke der Fortpflanzung einfände.

Was offenbar bestens geklappt hatte, denn Werner N. wurde fortan jeden Morgen spätestens um 3:30 Uhr, nach der Uhrenumstellung also eigentlich bereits um 2:30 Uhr, von dem zu diesem Zeitpunkt im Garten anhebenden, und fortlaufend immer lauter werdenden, Vogelgezwitscher aus dem wohlverdienten Schlummer gerissen. Selbst bei geschlossenem Fenster (im Sommer bei der Hitze ein Unding, wie jeder weiß der einmal einen Sommer in Wien erlebt hat) und mit Ohrstöpseln war an ein Weiterschlafen nicht mehr zu denken. Alles Bitten und Flehen nutzte nichts, die Umweltschützerinnen blieben hart: ‘Das ist ein wichtiges Projekt für unsere Nachbarschaft! Die Vögel müssen auch in der Stadt ausreichend Nistplätze vorfinden können!’ wie Frau Sabine H., eine Deutsche aus München, vorzubringen wußte.
Einwände wie: ‘Ja aber die Nistplätze finden sie doch drüben im Park eh, da hängts doch eure Nistkästen DORT auf!!!’ wurden von den eifrigen Amazonen vom Tisch gewischt: ‘Nix is, da kriegen wir ja keinen Preis wenn wir die Kästen nicht im eigenen Garten aufhängen!’.

Herr N. stand also, nach Monaten des Schlafentzugs, eines Morgens, als ihn die Vögel wieder einmal aus dem Schlaf gerissen hatten, völlig entnervt auf, griff zum Beil neben seinem Bett, rannte in den Garten hinaus und hackte wie von Sinnen ... auf den Baumstamm ein, woraufhin er von den erbosten Vogelfreundinnen bestialisch attackiert wurde.

Herr N. wurde mittlerweile zur Erholung in das Sozialmedizinische Zentrum an der Baumgartner Höhe verbracht. Die Nachbarin keppelte uns aus dem Fenster nach: ‘Jou eh, do hedns bessa dia verrucktn Weiba auffebrocht, an Steinhof. Wissns eh wos ma do frias gmocht hod mid de Leit!’



Samstag, 30. März 2019

Und dann war er weg, der Zug ...

'Nur kurz eine rauchen ...', hast gesagt, und: 'Geh, komm doch mit raus, allein is so fad!' Hast mich angeschaut mit deinen rehbraunen Augen, denen ich noch nie widerstehen konnte ... naja und wie wir dann am Schotter gestanden sind in dieser Einöde, wo es nicht einmal einen ordentlichen Bahnhof gibt und der Zug nur deswegen so lange rumsteht weil sie ein Türproblem haben, hast festgestellt, daß du dein Feuerzeug drin vergessen hattest. Kaum warst wieder drin im Waggon hat es einen lauten Pfiff getan, die Türen sind zugeschlagen und bis ich g'schaut hab ist der Zug angefahren. Ohne mich!

Hab dich noch gesehen am Fenster wie du mir hektisch irgendwelche Zeichen gemacht hast aber glaubst ich seh das ohne Brille? Und dann stand ich da, allein in der Pampa, hatte keine Ahnung wo ich bin, ohne Handy, keinen Ausweis dabei, kein Geld, absolut nichts.

Also was werd ich tun, einfach den Gleisen entlanggehen bis zum nächsten größeren Ort, hab ich mir gedacht. Wo es eine Polizeistation hat oder zumindest einen besetzten Bahnhof. Nur - da kommt nix. Seit Stunden bin ich jetzt unterwegs, also gefühlt, weil Uhr hab ich natürlich auch keine dabei. Langsam werde ich müde und Durst hab ich auch. Und einen Grant. Auf dich und deine blöde Raucherei!

Weißt noch, neulich in Frankfurt, wo der Mann im Leiberl zum Kiosk gerannt ist um eine Zeitung und wie er gerade wieder zurückgehetzt kam ist der Zug angefahren und er stand fassunglos am Bahnsteig? Was haben wir gelacht. Ja, lustig haha, mir ist das Lachen gründlich vergangen!

Aber jetzt hab ich endlich diesen blöden Satz kapiert der immer bei dir am Tabaksbeutel aufgedruckt ist: Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit UND die Ihrer Mitmenschen.


Sonntag, 17. März 2019

Holst mich eh ab, ja?


Irgendwie wußte ich sofort was los war, wie der Postenkommandant angerufen hat und gleich den Hörer dem Tichy weitergegeben. Da hat er noch garnix sagen müssen, die Stille im Hintergrund sprach Bände. Kein ausgelassenes Gejohle von den Jungs, nicht einmal der Radio war an und den haben sie sonst immer am Rennen weil sie wissen müssen was drüben in Deutschland los ist sagt der Tichy aber ich weiß zufällig, daß ihm einfach die Musik auf Radio Tirol nicht gefällt und der alte Kasten nicht viel mehr hergibt als das und Bayern 1.

Ja, es war uns bekannt, daß die Rodelstrecke jetzt nicht mehr SO top in Schuß ist wie man es sich eigentlich wünschen würde, manche Kurven waren wirklich voll arg und oft waren die Touristen käsweiß wenn sie mir den Rodel zurückbrachten damit ich ihn an den Lift häng und oben anruf damit die wissen, daß was kommt. Der Tourist war dann mit einem Stamperl Schnaps oder zweien meist wiederhergestellt und auch wenn der nie wiederkam war es egal, es drängten doch immer wieder neue nach, wenn auch meist eher tröpferlweis, nie wirklich genug, so daß man sagen könnte ok, is prima gelaufen die Saison, da können wir im Frühjahr mal ruhigen Gewissens was richten lassen.

Du wolltest es dir nochmal anschaun hast gesagt, aber nicht die Strecke nur abgehen wie sonst, sondern selber mal runterfahren, schaun wo’s kritisch wird und vielleicht daß man dann an den wirklich argen Stellen doch sukzessive, peu à peu, möglicherweise …

Ja und dann bist vor mir gelegen, etwas bleich aber eigentlich hast nicht sehr tot ausgesehen. Nur kalt warst, so kalt … ich hab nicht gewußt, daß ein Mensch so kalt sein kann ohne daß er frisch aus dem Eiskasten kommt - in den haben sie dich ja erst hinterher hineingetan. Das hab ich aber nicht mehr mitbekommen weil ich so geheult hab. Der Postenkommandant hat daheim angerufen weil er mit heulenden Frauen nix anfangen kann, der Tichy war schon wieder irgendwo am Berg und die Frau vom Kommandanten ist eine fade Trutschn die nur immer davon redet was sie alles leistet in Haus und Gemeinde und dabei so einen spitzen Mund macht wenn sie mich anschaut, weil jeder weiß daß ich nicht einmal kochen kann, bei mir immer überall Bücher am Boden liegen so daß man drüberstolpern muß und ich auch nicht jeden Sonntag in die Kirche komme. Geh ich halt lieber rein wenn sonst niemand drin ist, wegen der geballten Scheinheiligkeit. Gegen die bin ich leider allergisch. Darfst aber auch wieder ned laut sagen. Nix darf man!!!

Den Tichy mögen sie auch nicht weil er aus Wien ist (deswegen heißt er ja so, also nicht nur weil er aus Wien ist sondern weil er immer so hoch oben am Berg umeinanderkräult, beim ewigen Eis) aber ihn brauchen sie wenn wieder einer verlustig geht. Weil er sich auskennt in den Bergen und keine Angst hat.

Die Beerdigung ist gestern gewesen, natürlich waren alle da, haben traurig geschaut und ihr Beileid gewunschen, aber hinterher, beim Wirten, da wurde bereits wieder laut gelacht und mit roten Backen angestoßen, auf das Leben, darauf, daß es uns dieses Mal noch nicht erwischt hat … der Huber Bauer hat die Resi an den Popsch gegriffen und sie hat so getan als ob sie ihm das Tablett um den Schädel hauen wollte, es war ganz schnell alles wieder wie sonst auch. Für die anderen. Für mich wird bald einmal nix mehr so sein wie es war.

Die Rodelbahn will ich eh nie mehr sehn, die Mitzi-Tant hat gesagt sie weiß einen Investor, das ist mir alles sowas von Blunzn - von mir aus sollen sie machen damit was sie wollen, ich brauch sie nicht mehr. Ich brauch garnix mehr.

Ich fahr jetzt rauf und dann geh ich diesen einen Weg, ganz hinten, da wo der Tichy neulich den Italiener gefunden hat. Riesenkorb Pilze dabei, die er noch ganz verschämt verstecken wollte wie die Rettung kam … aber mit dem gebrochenen Haxn ist er ihnen halt nicht mehr auskommen.

Das wär eine gefährliche Stelle hat er gesagt, der Tichy. Weil du von oben ned merkst, daß du am Vorsprung stehst. Da denkst immer es geht noch was und FUPP rutscht du aus und … der Italiener hatte halt Glück daß es ihn mehr seitwärts weggehauen hat. Der hatte auch nicht viel Schwung drauf, war ja beim Schwammerlbrocken, da geht man langsam und suchend … aber wenn ich mit einem rechten Anlauf … ohne zu denken, einfach gradaus … du hast mir ja versprochen du holst mich ab wenn du vor mir gehst … und ich vertrau dir, hab dir immer vertraut …






Freitag, 22. Februar 2019

Einmal muß es nun doch mal raus ...

Bereits als ich ihn das erste Mal sah wußte ich, daß es Ärger geben würde. Manchmal spürt man das einfach, kann es aber dennoch nicht verhindern.

Aufmerksam wurde ich auf ihn durch eine dieser Werbekarten die im Kartenbüro in München ausliegen und die man sich während der Wartezeit an der Kassa betrachten und bei Gefallen auch mitnehmen kann. Eine bunte Autogrammkarte, in seinem Fall mit Foto. Diese arrogante Kopfhaltung, dieser Blick der einem durch und durch geht, diese Nase ...

Besagte Karte hatte ich als Lesezeichen in dem Buch, das mir nach meiner Gehirnblutung die drei Wochen Reha in Bad Tölz halbwegs erträglich machen sollte. Da hat man ja viel Zeit um zu träumen und nach so einem Schlaganfall ist man ja auch erstmal nicht mehr so ganz richtig im Kopf. Böse Zungen behaupten, das war ich vorher auch schon nicht, aber die sollen alle mit Knoten in selbiger bestraft werden!

Nun war ich ja erst einmal arbeitslos und hatte daher nicht viel Gelegenheit zu Kabarettbesuchen, aber wo ein Wille da auch ein Weg ... und ja, ich war vom ersten Moment an verzaubert. Diese Melancholie, die dieser Mann ausstrahlte, zog mich sofort in ihren Bann. Die kleinen, bösartigen Lieder, diese total überzogenen und doch gemein treffsicheren Geschichten ... ich war begeistert und wollte mehr. Zwar verstand ich die Seitenhiebe auf die deutschen Politiker meist nicht, da ich sie nicht kannte, aber da hab ich halt dann weggehört und mich nur am Minenspiel erfreut.

Nachdem ich ja nun schon wußte, daß es Ärger geben würde, hab ich mich niemals um ein Autogramm an ihn herangemacht, im Gegenteil, wenn ich ihn vor der Vorstellung irgendwo habe herumlaufen sehen, habe ich mich versteckt. Wollte einfach nur im Zuschauerraum sitzen und genießen. Dieses Lied über das Mikrophon, beispielsweise ... leider hat er das dann bald aus dem Programm genommen, und auf CD hört man es ja nur, da SIEHT man nicht, was er da für Gesichter dazu macht, wie er mit den Händen über das Mikrophon streicht, es gar ableckt ... ich war gefangen.

Die geneigte Leserin wird sich an dieser Stelle fragen: Ja und? Warum hat es dann Ärger gegeben?

Nun, das ist nicht ganz so einfach zu erklären. Zunächst ist ja ein Kabarettist selten in großen Hallen unterwegs, so daß es durchaus auffällt, wenn eine Person immer wieder zur Vorstellung erscheint. Und zwar nicht nur in der Stadt in der sie wohnt, nein, auch in anderen, teilweise hunderte von Kilometern entfernten Städten. Habe ich bereits erwähnt, daß ich gerne reise? Und daß ich im Theater sehr gerne ganz vorne sitze?

Das ist natürlich an sich noch keine Straftat, aber es hat wohl im Kabarettistenherzen bereits ein gewisses Unbehagen erzeugt. Wenn man im hübsch gelegenen Dettingen an der Teck beim Eintritt in den Saal vom Künstler mit einem fragenden: 'Schon wieder?' begrüßt wird, dann dürfte einem dämmern, daß dieser einen nicht gerade gerne sieht. Hm.

Was ich nun doch auch endlich mal erwähnen sollte ist, daß ich mich naTÜRLICH nicht so unauffällig verhalten hatte wie ich es mir anfangs vorgenommen hatte. Bin also nicht lediglich brav in der ersten Reihe gesessen und habe den Künstler angestarrt, nein, ich habe ihm auch Postkarten geschrieben. Das klingt jetzt voll arg, als ob ich ihn bedrängt hätte, und er hat es wohl auch so aufgefaßt, aber es fing eigentlich ganz harmlos an.

Daß ich gerne fotografiere ist kein Geheimnis, daß ich gerne Postkarten mache, auch nicht. Früher hab ich die ganz klassisch mit Schere, Uhu und Ausgeschnittenem aus Zeitschriften produziert, mittlerweile gibt es das Internet, da ist soviel drin, da kann man sich doch glatt seine Fotos als Postkarten drucken lassen, so richtig mit Adreßfeld auf der Rückseite. Tolle Sache!

Nun hab ich dem Mann natürlich nicht irgendwelche Postkarten geschickt, etwa mit tapsigen Tierchen drauf oder langweiligen Landschaften. Nein. Er hatte mich doch so unglaublich inspiriert. Und das war für mich auch immer der Zweck der Übung gewesen bei meinen Schwärmereien. Ich WOLLTE doch garnichts von den Leuten. Um Himmels Willen! Wirkliche Beziehungen mit Männern sind bei mir bisher immer im Desaster geendet, daher zog ich meine Traumwelt der Realität bei weitem vor, da kann nix passieren. Dachte ich. Aber wie der Herr Kabarettist schon immer wieder sagte: Der dachtende Mensch ist dem Herrn ein Gräuel.

Ganz abgesehen davon ist der Mann verheiratet und das weiß auch jeder weil seine Frau ständig im Programm vorkommt. Zwar jetzt nicht so, wie man sich das als Frau wünschen würde, aber wer einen Zyniker heiratet ... doch ich schweife ab.

Er hat mich inspiriert, und ich fand das wunderbar. Ich habe Gedichte geschrieben (die er natürlich nie zu Gesicht bekam) und ich habe Motive komponiert für meine Postkarten ... die ich dann niemandem schicken konnte, weil die nur derjenige verstanden hätte, der das jeweilige Programm kennt. Ja und was macht die eitle Frau Künstlerin? Sie schickt die Postkarten an den Herrn Kabarettisten himself. Und denkt auch noch, der freut sich und lacht.

Hat er aber nicht.

Sein Unmut wuchs direkt proportional zu meinen verzweifelten (schriftlichen) Beteuerungen, daß ich doch ganz harmlos wär und nix von ihm wolle und es daher keinen Grund gäbe, mir gram zu sein.

Anfangs war es lediglich so, daß er böse geguckt hat wenn er mich gesehen hat. Ok, das war bitter, aber nachdem ich mich zeit meines Lebens an einem extrem unterentwickelten Selbstbewußtsein erfreut habe, hat mich das nicht weiter gewundert, ich fand das normal. Mein Vater meinte schon immer: Wer sich mit DIR abgibt der kann nicht ganz dicht sein.

Die Geschehnisse nahmen dann doch recht rasch Fahrt auf. Winter 2009 auf 2010, Vorstellung in Ebersberg. Eine S-Bahn zu früh genommen damit ich nur ja einen Platz ganz vorne bekomme, ewig vor der Türe in der Kälte gewartet, von einem der Mädels, die drinnen arbeiten, gesehen worden, die hat auch noch freundlich gegrüßt, und hatte wohl nichts besseres zu tun als drinnen gleich zu erzählen, mich gesichtet zu haben. Nur so ist das Folgende zu erklären. Nach noch mehr Warterei, mittlerweile drinnen, noch vor dem Einlaß, wurde ich vom Betreiber namentlich aufgerufen. Ich war erstaunt, dachte was ist jetzt los, er bat mich nach drinnen, stellte sich mit dem Rücken zur Bühne in Höhe von etwa Reihe sieben auf, und erklärte mir mit seltsam steinernem Gesichtsausdruck (er war sonst immer sehr freundlich gewesen und hatte mir sogar vorab die Eintrittskarten zugeschickt), daß die vorderen Plätze alle für die Abo-Kunden reserviert seien, aber er habe gehört ich hätte bereits lange angestanden, daher dürfe ich mir von den verbliebenen Plätzen hier einen aussuchen. Welche Enttäuschung! Da steht man sich in der Eiseskälte die Füße in den Bauch und dann sowas.

Es kam mir zwar dann schon ein bissl komisch vor, besonders weil ich das in Ebersberg noch nie erlebt hatte, daß Abokunden die vorderen Plätze reserviert bekommen, aber gut. Nur, daß dann eine Abokundin hinter mir saß, und vor mir dann etliche 'normale' Besucher, das fand ich dann schon extrem strange. Aber ok, der Abend war gelaufen. Von meinem Platz aus sah ich so gut wie nichts, außer Spesen nichts gewesen.

Dann der nächste seltsame Vorfall. Lustspielhaus München. Freie Platzwahl. Normalerweise. Ich wie üblich als Erste vor Ort, lange vor dem Einlaß, war also auch als Erste drinnen, stürmte nach vorne ... und fand, daß alle vorderen Plätze reserviert waren! Während ich noch ungläubig ein Schild nach dem anderen auf den 'guten' Tischen vorfand, strömten natürlich die anderen Besucher hinterher und am Ende saß ich ein gewaltiges Stück von der Bühne entfernt irgendwo auf der Seite.

Mein Mail an das Lustspielhaus, in dem ich diesen seltsamen Umstand beklagte, wurde nie beantwortet.

Ähnliche, sich bereits vorher zugetragen habende, Vorfälle konnte ich im Nachhinein in Zusammenhang stellen. Beispielsweise hatte ich mir in Frankfurt Hoechst einen ECHT guten Platz, vorne mittig, gebucht. Und dort gibt es KEINE freie Platzwahl, da bekommt man genau den Platz, den man sich beim Kartenkauf ausgesucht hat. Also bei anderen Menschen ist das so. Ich dagegen wurde ziemlich an den Rand geschoben, so daß es sogar mir auffiel, daß das NICHT mein Platz sein konnte. Auf Nachfrage hieß es, daß ich halt ein Einzelgast sei, der bei Bedarf größeren Gruppen weichen müsse. Genau dieselbe Ausrede bekam ich übrigens auch in der Lach&Schieß in München zu hören, wo die Plätze angeblich in der Reihenfolge der Buchung vergeben werden, und wo ich mich auch, obwohl mein Name ganz oben auf der Liste stand, immer wieder irgendwo in der Mitte des Saales wiederfand.

Offenbar erschienen alle anderen Menschen zu zweit, so daß sich für die Pärchen immer einer der Vierertische ausging, und der Einzel-Ev stets weichen mußte.

Den Gupf brachte dann mein lieber, aber leider meist betrunkener damaliger Mitbewohner, der eh schon immer dagegen gewesen war, daß ich den Piefke so anschwärmte. Ich würde mich lächerlich machen, meinte er. Ja, da hatte er wohl recht, aber dagegen 'war ich machtlos', wie der Graf von Vermont damals schon seufzend immer wieder sich selbst zitierte.

Geht der blunznfette Bursch also gegen meinen ausdrücklichen Willen zum Kabarettisten und holt nicht nur für sich selber ein Autogramm sondern für mich eins mit, ich konnte ihn nicht abhalten, ich stand um die Ecke, hörte ihn dumm daherlallen und versank vor Scham im Boden. Nun wollte ich doch extra NICHT auf mich aufmerksam machen wo er eh schon so böse auf mich war, da muß der Blödmann hingehen und noch Öl ins Feuer gießen.

More fool me, schrieb ich gleich am nächsten Tag NOCH eine Postkarte auf der ich beteuerte, daß das mit dem Autogramm NICHT meine Idee gewesen sei sondern daß ich Gusti einfach nicht davon hatte abhalten können, ihn nach der Vorstellung darum anzugehen.

Kurz darauf die Eskalation: Ich erhielt an meine Arbeitsadresse eine Mail von der Agentur, in der es sinngemäß hieß, es sei zwar erfreulich, wenn ein Künstler so einen treuen Fan hätte, aber er fühle sich von meiner ständigen Anwesenheit gestört und es ergehe folgende Anordnung: Ab sofort dürfe ich nur mehr ab Reihe sieben sitzen, und auch dahinter nicht mittig, damit ich mich nicht mehr im Blickfeld des Künstlers befände. Dieser Anordnung sei unbedingt Folge zu leisten.

Ich war total geschockt. Ein Anruf bei der Agentur, ob das Mail wirklich von ihnen sei oder ob es sich etwa um einen üblen Scherz handle, wurde knapp affirmativ beantwortet und sofort wieder aufgelegt.
Nun saß ich da.
Hatte für den folgenden Tag eine Karte in einer sehr, sehr weit entfernten Stadt gebucht, natürlich erste Reihe Mitte. Was tun? Nach dieser Mail war mir natürlich die Lust auf weitere Vorstellungsbesuche endgültig vergangen. Habe mich in Folge noch mit einer Bekannten auf ewig verkracht weil ich das für diesen Nachmittag angesetzte Treffen nicht eingehalten habe, mußte ich doch nach Hause eilen und versuchen, zu retten was zu retten war. Kostenmäßig meine ich. Man kann ja Bahnfahrkarten zum Sonderpreis nicht mehr oder nur sehr schwer stornieren.

Ich verbrachte den Nachmittag (es war ein Freitag und daher hatte ich früh Feierabend) also damit, Bahnfahrkarten und Vorstellungstickets zu stornieren. Interessant waren hierbei auch die Reaktionen der diversen Bühnen. Ich hatte den Grund natürlich genannt, auch das Mail der Agentur als Beweis mitgeschickt ... in den meisten Fällen war man mitfühlend und ich konnte kostenfrei stornieren, in anderen Fällen wiederum blieb man kalt und beharrte auf dem geschlossenen Kaufvertrag. Daran hätte ich, wäre mir damals bereits das gesamte Ausmaß der Katastrophe bewußt gewesen, ersehen können, mit welchen Betreibern der Piefke bereits über mich gesprochen hatte und mit welchen nicht.

Weitere Erleuchtung brachte mir nämlich dann einige Zeit später ein Gespräch mit einem Bekannten, ebenfalls Kabarettist, ein wirklich genialer und warmherziger Mensch, den ich über alles schätze und der mir, im Gegensatz zum Piefke, durchaus wohlgesonnen ist. Obwohl ich auch ihm gerne Postkarten schreibe.
Aber der freut sich drüber.

Von ihm weiß ich nun also, daß der Piefke damals dem Betreiber des Niedermair in Wien sein Leiden mit mir geklagt hatte. Er fände mich unheimlich war noch eine der harmloseren Bemerkungen. Und ganz offensichtlich hat er nicht nur mit dem Herrn F. darüber gesprochen sondern auch noch mit so manch anderer Betreibergestalt. Von Frankfurt bis Wien war ich nun persona non grata, nur weil ein paranoider Piefke sich von mir verfolgt fühlte.

Ich sollte erklärend hinzufügen, daß ich damals bei den Kabarettbesuchen stets meinen Fredi dabeigehabt hatte, ein Stoffhase mit seitlichem Reißverschluß, in den man sein Geldbörserl und noch so etliches anderes hineingeben kann. So war ich überall hinreichend bekannt, leider halt nur vom Sehen, und jeder glaubte gerne, was der Herr Piefke zu erzählen hatte. Denn eine erwachsene Frau, die mit einem Stoffhasen rumläuft, eine komische Frisur hat und immer in der ersten Reihe hockt und den Künstler anstarrt? Da KANN doch was nicht stimmen.

Najo na eh. Wird schon so sein.

It didn't help matters daß ich in verletztem Stolz ein selbstgemaltes Bild im Niedermair abgab mit der Bitte, man möge es ihm bringen. Meine Intention war, daß er sieht, daß ich durchaus auch ein Künstler bin und nicht lediglich irgendein durchgeknallter Fan, und daß ich eh nix weiter von ihm will. Das hatte ich natürlich wie bereits erwähnt zuvor schon mehrmals geschrieben, aber wahrscheinlich hat er die Karten nie gelesen. Und das Bild nie bekommen.
Ich weiß es nicht, und werde es auch nie erfahren.

Mein lieber Bekannter hat natürlich versucht, Schadensbegrenzung zu betreiben indem daß er Herrn F. versicherte, er kenne mich sehr gut und ich sei durchaus in Ordnung, aber der Blick, mit dem Herr F. mich maß als wir Jahre später einmal zufällig alle drei vor der Türe des Niedermair standen, sprach Bände.

So ist die Geschichte, so ist es gewesen, und ich verstehe bis heute nicht, wie man mich unheimlich finden kann und wenn dem dann so wäre, warum man, wenn man schon von der Bühne ständig was von Zivilcourage ertönen läßt, nicht einfach mal auf die ach so unheimliche Person zugeht und sie fragt, was der Scheiß soll und ob man das jetzt mal klären könne.

Nein, da schickt man die Agentur vor und beschwert sich hintenrum bei allen möglichen Betreibern damit man mich ja nicht mehr vorne sitzen läßt. Für ein Hausverbot hat es wohl nirgends gereicht, ich hatte ja nichts Verbotenes getan.

Ich weiß durchaus was Stalking ist, und ich weiß auch, daß das in dem Gestalkten schlimme Gefühle hervorrufen kann. Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, daß man mich für einen bedrohlichen Stalker halten könnte.

Mein Chef hat zwei Patientinnen die ihn wirklich böse nerven. Die bombardieren ihn mit Mails und Geschenken, die intelligentere der beiden zumindest. Die andere, geistig eher übersichtlich gestaltete Dame, macht neben der Mailflut lediglich ständig Termine aus und beschimpft ihn dann gar garstiglich, wenn er ihr erklärt, daß sie austherapiert sei und sich zur weiteren Behandlung bitte an den niedergelassenen Arzt in ihrer Nähe wenden möge.

Da hab ich als seine Sekretärin schon so einiges davon mitbekommen und habe mich betroffen gefragt: Sah der Piefke mich etwa auch so? Bin ich so ein penetrantes Etwas? Kann das so aufgefaßt werden?
Offenbar ja.

Mein freundlicher Bekannter aus Wien hatte sich wiederholt erboten, einmal mit dem Piefke direkt zu reden, aber das wollte ich dann auch nicht, ich wollte nicht noch mehr Emotionen aufstierln, und wenn jemand paranoid ist, dann kann man auch mit Appellen an die Vernunft nichts ausrichten. Und ja, ich gebe zu, ich war aufdringlich. War ich durchaus. Aber ein Stalker, eine unheimliche Person vor der man sich schützen muß, vor der man Angst haben muß?

Seither ist mir die Lust am Kabarett so ziemlich vergangen. Was ich mir nach wie vor sehr gerne ansehe ist natürlich das Programm des lieben Menschen aus Wien und das eines anderen Wiener Kabarettisten, mit dem er früher immer wieder einmal gemeinsam aufgetreten ist, der ist auch so schön melancholisch. Besonders empfehlen möchte ich an dieser Stelle das Treibhaus in Innsbruck. Mit Abstand meine Lieblingslocation. 

Der Piefke hatte vor ein paar Jahren ein Buch herausgegeben, das ich mir natürlich gekauft habe. Darin beschreibt er, wie er den Fernseher im Hotelzimmer verhängt, da er sich sonst beobachtet fühlt. Da wurde mir dann auch einiges klarer.

Gusti hatte damals schon immer behauptet, der Piefke würde Marschierpulver bzw. ein Derivat desselben zu sich nehmen, was ich sofort als unglaubliche Behauptung zurückwies. Das würde er NIEMALS tun! verteidigte ich ihn vehement. Doch, beharrte Gusti, er sehe das u. a. daran, daß er während der Vorstellung ganz selten blinzele. Das sei ein eindeutiges Indiz. Inzwischen ... tendiere ich dazu ihm recht zu geben. Es ist allgemein bekannt, daß der Genuß dieser Mittel Paranoia hervorruft, auch hatte ich bereits in der Vergangenheit diesbezüglich nicht abgeneigte Bekannte dabei beobachten dürfen, wie sie als allererstes nach dem Betreten des Zimmers den Fernseher umgedreht hatten. Mit dem Bildschirm zur Wand. Damals ging das ja noch. Heutzutage dagegen, mit den fest montierten Flachbildschirmen ... ja, die muß man dann wohl verhängen, damit man nicht beobachtet wird. Und sollte gar eine Besucherin im Publikum es wagen, sich stärker in den Vordergrund zu spielen als üblich, ja, dann ...