Ungewohnte Laute drangen am gestrigen Montagmorgen aus dem Fenster eines Wohnhauses in der Hintschiggasse im zehnten Bezirk. Wüstes Geschimpfe schallte durch das ansonsten als eher ruhig bekannte Viertel am Rande des Wienerbergs.
Unserem herbeigeeilten Korrespondenten bot sich ein verwirrendes Bild: Ein umgeknickter Baum lag quer über dem an den Gärten vorbeiführenden Fußweg, daneben diskutierten aufgeregte Hausbewohnerinnen heftig mit skeptisch dreinblickenden Polizeibeamten, ein schmächtiger Mann mit Kopfverband saß auf dem Baumstumpf und zündete sich mit zittrigen Händen eine Zigarette an.
Was war geschehen? Aufklärung bekam unser Reporter von einer der Anwohnerinnen, die sich neugierig aus ihrem Fenster im Erdgeschoß lehnte: ‘Noja, heans, es woa ja ned mea zum Aushoidn, jedn Muang uma hoiba viere des Geplea von de Vogerln, do iser hoit auszuckt und hod an Baam umag’haut!’
Folgendes hatte sich zugetragen: Anfangs eine 'eh gute Idee', wurde aus dem Projekt ‘Nistplätze für unsere heimischen Singvögel’ sehr schnell ein Albtraum für den Schichtarbeiter Werner N. Der biedere Mann kam meist gegen elf Uhr abends von der Arbeit, aß noch eine Kleinigkeit vor dem Fernseher und begab sich gegen Mitternacht zur Ruhe. Welche jedoch nicht lange anhielt, da direkt vor seinem Schlafzimmerfenster jener unselige Baum stand, in dem die eifrigen Naturschützerinnen von der Stiegen nebenan ihre selbstgesägten Nistkästen aufgehängt hatten, auf daß sich die Vogelwelt dort zum Zwecke der Fortpflanzung einfände.
Was offenbar bestens geklappt hatte, denn Werner N. wurde fortan jeden Morgen spätestens um 3:30 Uhr, nach der Uhrenumstellung also eigentlich bereits um 2:30 Uhr, von dem zu diesem Zeitpunkt im Garten anhebenden, und fortlaufend immer lauter werdenden, Vogelgezwitscher aus dem wohlverdienten Schlummer gerissen. Selbst bei geschlossenem Fenster (im Sommer bei der Hitze ein Unding, wie jeder weiß der einmal einen Sommer in Wien erlebt hat) und mit Ohrstöpseln war an ein Weiterschlafen nicht mehr zu denken. Alles Bitten und Flehen nutzte nichts, die Umweltschützerinnen blieben hart: ‘Das ist ein wichtiges Projekt für unsere Nachbarschaft! Die Vögel müssen auch in der Stadt ausreichend Nistplätze vorfinden können!’ wie Frau Sabine H., eine Deutsche aus München, vorzubringen wußte.
Einwände wie: ‘Ja aber die Nistplätze finden sie doch drüben im Park eh, da hängts doch eure Nistkästen DORT auf!!!’ wurden von den eifrigen Amazonen vom Tisch gewischt: ‘Nix is, da kriegen wir ja keinen Preis wenn wir die Kästen nicht im eigenen Garten aufhängen!’.
Herr N. stand also, nach Monaten des Schlafentzugs, eines Morgens, als ihn die Vögel wieder einmal aus dem Schlaf gerissen hatten, völlig entnervt auf, griff zum Beil neben seinem Bett, rannte in den Garten hinaus und hackte wie von Sinnen ... auf den Baumstamm ein, woraufhin er von den erbosten Vogelfreundinnen bestialisch attackiert wurde.
Herr N. wurde mittlerweile zur Erholung in das Sozialmedizinische Zentrum an der Baumgartner Höhe verbracht. Die Nachbarin keppelte uns aus dem Fenster nach: ‘Jou eh, do hedns bessa dia verrucktn Weiba auffebrocht, an Steinhof. Wissns eh wos ma do frias gmocht hod mid de Leit!’
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