Freitag, 24. März 2023

Früher war mehr Lametta, seufzte der Opa



Wieder einmal stand Weihnachten vor der Türe und dieses Jahr würde die Stimmung daheim bei den Eltern noch gespannter sein als sowieso schon. Einfach nicht hinfahren? Das wollte ich meiner Mutter nicht antun. Wie ich sie kannte, hatte sie bereits vor Wochen angefangen, Plätzchen zu backen und alle Geschenke liebevoll zu verpacken. Meinem Vater jedoch würde ich am liebsten nie wieder unter die Augen treten. 


Eigentlich beginnt diese Geschichte schon kurz nach meiner Geburt, bei meiner Taufe. Natürlich habe ich meine Eltern schon relativ früh gefragt, warum sie mich ausgerechnet James genannt haben. Mein Name ist James. James Bunt. Kinder können so grausam sein … und ich war nie ein Typ der sich gerne prügelt. Also brauchte ich einen Beschützer, was die ganze Sache noch peinlicher machte. James Bunt, das Weh des Jahrtausends.


Mangels älteren Bruders, oder überhaupt eines Bruders, hatte ich mich damals nach dem Wechsel auf die Oberschule an einen kräftig aussehenden Burschen zwei Klassen über mir rangewanzt, der - natürlich um entsprechende Gegenleistung - dazu bereit war, meinen Peinigern tatkräftig die Leviten zu lesen.


Diese Gegenleistung bestand darin, das Wochenendhaus meiner Eltern für Partys zur Verfügung zu stellen, was natürlich alles heimlich zu erfolgen hatte. Ich war also nicht nur in der Pflicht, meine Eltern zum verabredeten Zeitpunkt so weit wie möglich vom Wochenendhaus entfernt zu halten (habe ich erwähnt, daß ich Theatervorstellungen hasse?) sondern auch, hinterher alles wieder picobello aufzuräumen.


Jetzt ist es so, daß meine Eltern, wenn wir am Wochenende in den Garten wollten, natürlich mit dem Auto rausgefahren sind. In die Pampa. Zum Wochenendhaus. Meine partyfreudigen Schulkollegen hatten ihrerseits immer jemanden dabei, der schon einen Führerschein hatte, die konnten also ebenfalls mit dem Auto hin. Aber was sollte ich machen? Gerade einmal 11 Jahre alt, konnte ich nicht einmal mit einem Moped fahren, der Bus fuhr nur alle heilige Zeiten einmal und niemals dann, wenn ich ihn brauchte. Also mußte ich, wenn ich frühmorgens nach einer Party aufzuräumen hatte, den langen Weg mühsam mit dem Fahrrad zurücklegen, nach einer kurzen Nacht (wir erinnern uns: kulturelle Veranstaltung mit den Eltern …) und voller Panik, daß die Zeit nicht reichen würde oder daß etwas Unersetzliches zu Bruch gegangen war.


Und da heißt es immer, die Jugend hätte keine Sorgen?


So verging die Zeit
ich war inzwischen 17 Jahre alt und einmal wieder kam ich atemlos am Grundstück meiner Eltern angekeucht. Noch immer am Radl, da sich ein Moped budgetär bisher noch nicht ausgegangen war.


An diesem Morgen konnte ich über den neuesten Streich der Bande nicht einmal mehr lachen. Unser Grundstück hatte die Nummer sieben (auch das noch) und einer der Spaßvögel hatte zwei Nullen davorgehängt, so daß nun ein fettes 007 am Gartentürl prangte. Ich war begeistert.


Drinnen erwartete mich das übliche Chaos. Das gute Geschirr stand verschmutzt und verschmiert in der Gegend umeinander und natürlich hatten sie die Unterteller wieder benutzt um ihre Tschik auszudämpfen. Ich konnte ja noch froh sein, daß sie wenigstens soweit mitdachten und die Stummel nicht einfach achtlos auf den Boden warfen.


Dennoch kostete es mich viel Mühe und Kraft, den verkrusteten Dreck so abzuschrubben, daß keine Spuren blieben. Meine Mutter legte viel Wert auf ihr Geschirr, und Aschekrusten hätte sie sofort bemerkt. In unserer Familie rauchte keiner. Ich frag mich eh, wieso sie den Geruch noch nie kommentiert hatten, aber bisher hatte ich Glück gehabt. Im Gegensatz zu den Eltern so einiger Freunde, die zu ihrem Verdruß fast jedes Wochenende mit der Familie am Arsch der Welt verbringen mußten, machten meine Eltern relativ wenig Gebrauch von ihrem Wochenendhäuschen. Manchmal frage ich mich, warum sie überhaupt eins hatten. Aber wer weiß, was die Rabauken ansonsten von mir verlangt hätten. Kaufhausdiebstahl oder gar sexuelle Dienstleistungen? So anstrengend es war, so hatte ich doch mit dem Partydienst noch das bessere Los gezogen.


Verschwitzt und müde sah ich mich nach getaner Arbeit um und wollte soeben das Häuschen verlassen, da hörte ich draußen ein Auto vorfahren. Oh nein, doch nicht etwa meine Eltern? Am Vorabend war nicht die Rede von einem geplanten Gartenwochenende gewesen, so daß ich mich relativ sicher gefühlt hatte. Vorsichtig spitzte ich durch die Gardinen: Hm, nein, das war nicht der Wagen meiner Eltern. Ein völlig unbekanntes Gefährt war direkt vor unserem Grundstück geparkt, soeben schlugen die Autotüren zu, zwei breite Gestalten in Lederjacken schwangen sich über das Gartentürl - und marschierten direkt auf den Eingang zu. Woher wußten sie, daß ich im Haus war? Waren dies zwei der Partyteilnehmer, die etwas vergessen hatten? Sollte ich mich verstecken oder besser ganz harmlos tun und sie freundlich begrüßen? Während ich noch mit mir selber diskutierte, waren sie bereits durch die Türe gekommen und schauten sich wohlwollend um. Mich beachteten sie dabei überhaupt nicht, was mich etwas nachdenklich stimmte.


‘Sog, wos manst? Die totaaal leiwande Location fia an Füm, do hod a amoi a guate Idee ghobt, da Burli!’

‘Jo eh, paaaaßt’


Film? Was für ein Film? Und wer war ‘Burli’? Doch nicht etwa Jacko, mein Beschützer mit dem breitbeinigen Gang und dem kräftigen Kreuz? Nun, neben diesen beiden Gestalten sah sogar er ein wenig schmächtig aus. Ich verschwand förmlich in meiner Ecke, was womöglich erklärte, warum sie mich erst jetzt zu bemerken geruhten.


‘Heast dooo schau her, wen homma denn do? Do is jo jemand zhaus! Wia sogt ma waun wea auf Bsuach kummt? No, wie sogt ma???’ Der Schnauzbart des Sprechers war beeindruckend, sein Grinsen zwar spöttisch aber nicht direkt unfreundlich.


Ich faßte mir ein Herz und sprach: ‘Ah, guten Tag allerseits, mit wem habe ich die Ehre?’


Die beiden Strizzi verschluckten sich beinah vor Lachen: ‘Mit wem hobe ich die Ehre, haahaaaah, Oida, du bist da Gupf wiakli, du gfoist ma … heast wüst mitspün? Jo eh I hobs, du gibst an Battla, dea wos die Leit begriaßn duat, wauns kumman, oiso am Aunfang, ned danoch, hahahaaaaaaaaaaaaaaaaaa…’


Ich schluckte trocken. Butler? Leute begrüßen? Film? Die Gedanken wirbelten völlig haltlos in meinem Schädel umeinander, ohne sich jedoch zu einem fertigen Bild zusammenfügen zu wollen. Was hatten die beiden vor und wie konnte ich es verhindern???


‘No, wiara schaugt, da Klaane. Paß aaaauf, I dua’s da ausdeutschn’ wandte sich Schnauzbart erneut an mich: ‘Mia woin an Füm drahn, oiso an SEXFÜM, vastähst? Do brauchat ma a location, und die homma mia etzn g’fundn. Nämlich genau DO. Also HIER, soweit kloa? Wia schaugt’s aus mit deine Oidn? Maanst des geht si aus fia a poa Tog nächste Wochn? Sogma bis Donnastog?’


Du meine Güte, einen Sexfilm in unserer Hütte, und gleich ein paar Tage lang? Immerhin unter der Woche, aber was wenn mein Vater nach der Arbeit … man wußte ja nie …


‘Hot’s da die Red vaschlogn Klaana?’ fragte Schnauzbarts Kumpel, dessen massiver Schädel, völlig haarlos und glattpoliert, in der durch das Fenster hereinscheinenden Morgensonne glänzte.


Ich räusperte mich und versuchte, mich wie jemand zu verhalten, der einem wilden Tier furchtlos gegenübertritt um es zum Einhalten zu bewegen: ‘Meine Herren’, sprach ich mit belegter Stimme, 'ich fürchte hier liegt ein Mißverständnis vor. Dieses Wochenendhaus gehört meinen Eltern und ich kann mir nicht vorstellen, daß eine unsachgemäße Nutzung über Tage hinweg von ihnen oder auch unseren Nachbarn unbemerkt bleiben würde. Um zu verhindern, daß das Ganze ungut auf einem Polizeiposten endet, sollten wir von diesem Gedanken grußlos Abschied nehmen.’


Die beiden starrten mich sprachlos an. Schnauzbart faßte sich als erster wieder und wandte sich fragend an seinen Kollegen: ‘Hob I des jetzt richtig verstaundn? Des Bürscherl droht uns mit der Kieberei? I hau mi oh!’


Drohend trat er einen Schritt auf mich zu, doch der Gedanken an den Zorn meiner Eltern verlieh mir ungeahnte Kräfte und ich blieb stehen wo ich war. Die Hütte begann, sich um mich zu drehen und ich fixierte einen Punkt zwischen Schnauzbarts Augen. Ich hatte genug davon, in ständiger Angst leben zu müssen. Was hatte mir meine jahrelange Opferbereitschaft eingebracht, wenn nun immer noch mehr Leute daherkamen und die Hütte meiner Eltern für ihre Zwecke mißbrauchen wollten?


Schnauzbart und ich starrten uns gegenseitig an, der Kumpel stand irgendwie daneben, ich nahm ihn nur undeutlich aus den Augenwinkeln wahr … dann trat Schnauzbart einen Schritt zurück und die Spannung löste sich.


‘I schlog da an Deal vua’, sprach er. ‘I frog mi eh, fia wos du an Jacko no brauchst, bist eh a leiwanda Bursch, ka Weh ned des wos a Nanny brauchat. Oiso baß auf. Mir drahn an Füm, dabei bleib ma, oba mia kanntn dia wos zoin dafia. Sog ma 10 Prozent vom Gewinn?’

‘25 Prozent!’, pokerte ich mutig.

‘20 und aus’, kam es zurück und eine Hand tauchte fordernd vor meiner Nase auf.

Ich schlug ein … und fragte mich gleichzeitig, wie Schnauzbart es nun doch geschafft hatte, mich zur Mithilfe bei diesem irrsinnigen Vorhaben zu bewegen. War es die Aussicht auf einen nicht unerheblichen finanziellen Gewinn (das Moped rückte auf einmal in erreichbare Nähe …) oder war es seine lobende Feststellung, daß ich doch kein Weh sei, wie man offenbar geglaubt hatte sondern ein durchaus ernstzunehmender Geschäftspartner? War ich auf einen miesen psychologischen Trick hereingefallen?


Eine Woche später


Schwitzend stand ich in vollkommener Anserpanier (= bester Anzug, Anm. d. Verf.) vor dem Häuschen meiner Eltern. Man hatte mir einen Anzug aus dem Kostümfundus verpaßt, damit ich stilgerecht die eintreffenden Gäste begrüßen und ins Haus bitten konnte. Nicht nur kam ich mir total albern vor, ich verging fast vor Angst, daß einer der Nachbarn uns bemerken und meine Eltern bei nächster Gelegenheit darauf ansprechen würde, was sie denn da für einen ungewöhnlichen Auflauf in ihrem Grundstück veranstaltet hätten. Es grenzte eh an ein Wunder, daß es bisher noch keinen Ärger wegen der Partys gegeben hatte, aber die fanden ja auch in der Nacht statt wo der Aufenthalt in der Gartenanlage an sich verboten war. Also auch für die Nachbarn. 


Glücklicherweise hatten mittlerweile die Sommerferien begonnen und die meisten Wiener hatten die Stadt verlassen. Alte Weisheit: Nur Touristen und Wahnsinnige halten sich im August in der Stadt auf. Auch ich hätte mit meinen Eltern ans Meer fahren sollen, doch hatte ich sie überzeugen können, daß ich nun alt genug sei um auch einmal drei Wochen ohne Aufsicht bleiben zu können und sie hatten schließlich eingelenkt. Umso peinlicher wäre es nun, wenn ihnen ein Nachbar davon berichten würde, was ihr ungezogener Filius in ihrer Abwesenheit so getrieben hatte.


Das erste vorfahrende Auto riß mich aus meinen ungustiösen Überlegungen und ich nahm Haltung an. Wiehernd schälten sich meine Freunde und Geschäftspartner Schnauzbart und Glatze aus ihrem Auto und kamen auf mich zu: ‘No, da Hea Battla, sea leiwand wirklich, fost wia echt steht er da, ha? Jetzt boß auf, du bist no ned dran, z’erst kumman die Leut mid an Tape und mit an Licht und so, des dauat no a Weile, konnst des Teil wida ausziehn, bei der Hitzn verlaufst jo. Geh in Gartn ausse, mia holn di scho wann ma di brauchn, ok?’


Das mußte er mir natürlich nicht zweimal sagen. Erleichtert legte ich den Anzug ab, zog meine geliebten Shorts an und verzog mich nach hinten auf die Hängematte. So genau wollte ich lieber nicht wissen, was die Leute im Haus alles anstellen würden. Nur gut, daß ich hernach noch zwei Wochen Zeit haben würde um alles wieder soweit wie möglich in Ordnung zu bringen. Wenn nur die Nachbarn nicht wären …


Sorgenvoll starrte ich in die Zweige des Apfelbaumes, der dieses Jahr wieder reich getragen hatte und noch immer voller Äpfel hing, die meine Mutter vor ihrem Urlaub nicht mehr alle hatte pflücken und verarbeiten können. Hatte ich nicht auch versprochen, mich um den Garten zu kümmern? … Seufzend stand ich wieder auf und holte einen Korb aus dem Schuppen. Die Beleuchter waren, wie ich sah, mittlerweile eingetroffen und trugen riesige Scheinwerfer ins Haus. Wie das ganze Equipment hineinpassen sollte, war mir ein Rätsel. Vor allem wenn dann auch noch die Darsteller kamen.


Als ich mich gerade nach einem besonders weit oben versteckten Apfel streckte, hörte ich hinter mir eine wohlbekannte Stimme: ‘Heast James, bist du des?’ Vor Schreck ließ ich die soeben erhaschte Frucht fallen und drehte mich langsam um. Vor mir stand Vera, der Schwarm der gesamten Schule. Seit Jahren schon war ich in sie verschossen aber natürlich hatte sie mich bisher keines Blickes gewürdigt. Ich wußte nicht einmal, daß sie meinen Namen kannte! Keck blinzelte sie mich an, hob dann den heruntergefallenen Apfel auf und streckte ihn mir lächelnd entgegen: ‘Willst mein Adam sein heute? Bissl a Sünde und so?’


Mein Gesichtsausdruck muß wohl wenig intelligent ausgesehen haben, denn Vera brach in helles Gelächter aus und rief: ‘Maaaa James, schau doch ned so verschreckt! I hob ned g’wußt daß mir in deiner Hüttn drahn - oba wannst scho amal do bist … mogst ned mitduan?’

‘Ich spiel eh mit’, krächzte ich. ‘Ich soll den Butler geben, der am Eingang steht.’

‘In der kurzn Hosn?’

‘Naaa, sicher ned, I hob an Anzug kriagt, oba I bin no ned dran.’

Bevor ich den Apfel in Sicherheit bringen konnte, hatte Vera mich durch die Hintertür gezerrt und während ich mich noch wunderte, wieso sie sich hier so gut auskannte, standen wir uns im Kammerl für die Blumentöpfe gegenüber ...

Über die folgende Szene würde ich liebend gerne den Vorhang des Vergessens fallen lassen, aber wie es im Leben oft so ist ... sind es so ganz kurze Momente, in denen man brutale Fehlentscheidungen trifft, welche wiederum Geschehnisse nach sich ziehen, die das gesamte Leben verändern können.

Ich hatte mich nicht nur vor Vera komplett zum Narren gemacht, unerfahren und total verknallt wie ich war, aber immerhin hatte ich gedacht sie findet mich zumindest süß und wollte mich deswegen verführen.

Spätestens jedoch als ich kaum unterdrücktes Prusten und Schnauben durch die dünne Bretterwand hörte, bin ich draufgekommen, daß hier irgendetwas nicht stimmte. Vera versuchte zwar noch, mich zurückzuhalten, schließlich war ich viel zu früh gekommen und sie hatte nicht viel von meinen unbeholfenen Bemühungen gehabt, aber ich rappelte mich schleunigst auf, fuhr in meine Shorts und stürmte ins benachbarte Wohnzimmmer.

Dort saßen sie lustig beinander vor einem Monitor, der unser Besenkammerl mit der sich grummelig räkelnden Vera abbildete - Glatze, Schnauzbart und zwei Techniker - und drehten sich bei meinem überstürzten Eintritt grinsend zu mir um: 'Warum so eilig, da Hea Boanostar? Schau, die Vera hätt no Lust g'habt, wüst ned no a Zugab ...'

Weiter kam Glatze nicht, denn ich hatte mich blind vor Wut und Scham auf ihn gestürzt und hing ihm an der Gurgel noch bevor die anderen reagieren und mich von ihm wegzerren konnten. 'Geh spinnst Oida? Etzn dua di obregn und mia regln des unta uns Männer, ok?', warf Schnauzbart beschwichtigend ein, als ich mit hochrotem Gesicht, mit Mühe aus dem harten Griff der Techniker entkommen, schwer atmend  neben ihm stand. 'Schau, die Vera mog di und wie mir ihr g'sogt hom, doß ma schon a bissl eine Absicherung brauchatn, damit du ned hintahea no zur Kieberei rennst, hod sie vurg'schlogn, doß ma a klane Szene mit dir drahn, sozusagen Verführung einer männlichen Jungfrau. Doß des SO authentisch rüberkommt, hätt ma si ned vurstöhn kennan, owa es woa voi leiwand und moch da kane Suagn ned, des is nua fia uns, wegen da Absicherung hoit, vastehst? Oiso, ned dua di anscheißn, etzn richtest di a bissl her und dann gibst uns den Battla, wia man ausg'mocht hom, d'accord?'

Verwirrt und beschämt verschwand ich im Badezimmer und versuchte, mich in einen Butler zu verwandeln, wie er eines vornehmen und hochherrschaftlichen Paares würdig war, auch wenn dieses Paar nur Vera und der Schnauzbart waren, denen ich nach dieser G'schicht am liebsten nie mehr unter die Augen getreten wäre.

Was ich damals in meiner grenzenlosen Naivität nicht ahnte war, daß die Gauner meine Sexszene sehr wohl in ihren Film hineingebaut hatten. Und ich hätte es wohl niemals erfahren, da ich mir dieses Machwerk ganz sicher niemals hätte anschauen wollen ... wenn, ja wenn nicht mein Herr Vater eines nicht allzufernen Abends mit einigen seiner Kollegen einen ungewöhnlich gewinnträchtigen Geschäftsabschluß hätte feiern wollen und sie ausgerechnet in einem Etablissement gelandet waren, in dem man nicht nur bei einem überteuerten Getränk sehr knapp bekleidete Damen dabei betrachten konnte, wie sie sich um Stangen wanden oder sich miteinander vergnügten ... sondern wo in einem Nebenraum auch Pornofilme liefen. 

Das Gesicht meines Vaters mag ich mir jetzt nicht vorstellen, das er gezogen haben muß wie er da angeheitert saß und sich johlend mit seinen Kollegen 'den deppatn Schas do' ang'schaut hat und auf einmal sieht er nicht nur seinen Sohn als Butler vor seinem eigenen Wochenendhäusl stehen und lauter Verrückte begrüßen, die da wie selbstverständlich hineinmarschieren, sondern muß obendrein ungläubig mitansehen wie sein Bub hernach überlebensgroß und in Dolby Surround aus seinen Shorts stolpert und sich, patscherter geht's wirklich nimmer, von der Vera zeigen laßt wie man in eine Frau hineinfindet und was man dort zu tun hat und zwar ohne gleich abzuspritzen weil das Vergnügen ja idealerweise auch für die Frau eins sein sollte.

Mein Glück im Unglück war, daß er kein Riesentheater machen konnte ohne zugeben zu müssen, diesen Film gesehen zu haben. Was ja nicht geht, vor der Mama. Aber sobald er mich alleine erwischt hat, hat er natürlich nicht mit wechselweise erbosten Anschuldigungen und spöttischen Bemerkungen gespart.

Nun war ihm auch klar, wieso ich damals nach jenem Sommer, kaum daß ich 18 geworden war, so schnell von daheim ausgezogen war. Nach dieser Sache wollte ich natürlich niemandem aus der Schule mehr begegnen.

Nach Hause kam ich seither nur mehr unter der Woche, die Mama alleine besuchen - oder eben an Weihnachten. Bisher war der Opa auch immer dabeigewesen, wir hatten ihn fürs Fest aus dem Heim geholt und er hatte die Atmosphäre aufgelockert. Alter Veteran der er war und stocktaub obendrein, hatte er jeden der Gäste angeschrien ob er beim Heer gewesen sei, zwischendrin hat er, beim Anblick der undekorierten Jackenaufschläge, in sein Supperl geseufzt: Früher war mehr Lametta!

Aber der Opa war vorigen Sommer gestorben. Nun würde man keine Gäste mehr einladen müssen um von ihm abzulenken, es würde ein 'trautes Familienfest in kleinstem Kreise' werden, wie die Mama mir bei meinem letzten Besuch freudig berichtet hatte. Ich seufzte, wie dazumal der Opa. Wieso mußte mein Vater auch ausgerechnet in dieses Pornokino gehen ...







Montag, 20. März 2023

Der mächtige Zauberer Skodefix

 Es war einmal ein Zauberwald, zu der Zeit als die Wälder noch groß und dunkel waren, in dem wohnte ein mächtiger Zauberer namens Skodefix. Diesem Zauberer gehörte fast der gesamte Wald, und jedes Jahr im Winter mußte er mit seiner Axt durch die Gegend marschieren und einige Bäume fällen, da der Wald sonst ZU dunkel geworden wäre und die Vögel, Eichhörnchen, Uhus und Kaninchen nichts mehr gesehen hätten.

Wenn es im Winter bitter kalt war, konnte es durchaus passieren, daß seine Axt in Sekundenschnelle an den Baum anfror, in den Skodefix soeben noch hineingehackt hatte, und er gar lästerlich fluchend daneben stehenbleiben mußte, bis es wärmer wurde und die Axt sich wieder löste.

Nun werdet ihr natürlich fragen, wieso er, wenn er doch so ein mächtiger Zauberer war, die Axt nicht einfach wieder weggezaubert hat vom Baum. 

Nun, wir haben eingangs ja bereits erfahren, daß ihm FAST der gesamte Wald gehörte. Nicht alles. Und in diesem Teil, der ihm NICHT gehörte, wohnte eine alte faltige Zauberin, die Skodefix seit vielen Jahrhunderten kannte und die ihm immer wieder einen ihrer lustigen Streiche spielte. Zumindest SIE fand sie lustig. Er meist weniger. Und eines Tages, als sie einmal wieder böse auf Skodefix gewesen war, was durchaus alle 100 Jahre einmal vorkam, hatte sie ihm seine Axt so verhext, daß er keine Macht mehr über sie hatte. Zwar konnte er damit nach wie vor wunderbar Bäume fällen, aber wenn sie feststeckte, oder angefroren war, dann war er so machtlos wie ein normaler Sterblicher und konnte nichts dagegen tun.

Eines Tages wachte Skodefix auf und fand, daß irgendetwas anders war als sonst. 'Frau', sprach er zu seiner Frau, 'irgendetwas ist heute anders. Hast du wieder meinen Schreibtisch geputzt und meine Zauberbücher dabei verrückt oder was ist los hier???' Seine Frau gähnte laut. 'Ich weiß nicht wovon du sprichst Mann. Ich habe garnichts geputzt und ich sehe auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß irgendetwas anders wäre als sonst.'

Muffig schwang Skodefix die Beine auf den kalten Boden - im Zauberwald war es meistens ziemlich kühl und man mußte jeden Morgen erst ein Feuer machen bis es mollig warm wurde im Häuschen - und marschierte in die Küche. Dort traf ihn allerdings fast der Schlag. Er erkannte sofort, daß der Uhu, der dort freundlich grinsend auf dem Geschirrtuchhalter saß, niemand anderer war als seine alte Freundin, die faltige Zauberin Ethel.

'Sag mal spinnst du???', fauchte Skodefix leise. 'Einfach hier aufzutauchen! Wenn meine Frau was mitbekommt!'

'Ned dua di anscheißn', kicherte Ethel, welche ursprünglich aus Österreich kam was man nach all den Jahrhunderten manchmal immer noch deutlich hörte. 'Sie kennt mi ja ned, oiso wuascht.'

'Deine Nerven will ich haben', knurrte Skodefix. 'Was ist jetzt so dringend, daß du mir nicht einen Zettel ins Astloch hast stecken können wie sonst auch? Oder einen von den Zwergen aus Unterbergen schicken, wenn's grad eilig wär? Stattdessen hockst da bei mir in der Kuchl und verbiegst die Atmosphäre so arg, daß man es bis in die Schlafkammer spürt.'

'Grad um die Zwerge aus Unterbergen geht es', antwortete Ethel, plötzlich ernst geworden. 'Hast du gewußt, daß die Lederwerkstatt in Gefahr ist? Im Unterberger Brunnen ist auf einmal kein Wasser mehr sondern so ein komisches miefiges Zeug. Aber weil sie Durst haben, trinken sie es trotzdem. Der Vorarbeiter liegt seit einer Woche ganz grün unter dem Tisch und die Nähzwerge stechen sich ständig in die Finger weil sie alles doppelt sehen. Die Kundschaft ist verärgert weil die Nähte schief sind und bald werden sie zusperren müssen. Wo kaufst dann du deine Mäntel und so weiter ein? Hm? Ist das jetzt dringend genug für den Herrn Grummelmeister?'

'Du meine Güte!', rief Skodefix erschüttert. 'Das darf doch nicht wahr sein, sie hat es schon wieder getan! Dieses Mal bring ich sie um, ich schwöre es bei den Knochen meiner Großmutter!'

'Wer hat was getan, und außerdem hatte deine Großmutter Osteoporose, also laß das lieber sein mit der Schwörerei.'

'Distella. Die blöde Kuh!'

'Deine Ex?', staunte Ethel 'Ja aber - was hat die mit den Zwergen aus Unterbergen zu schaffen?'

'Die hat wieder den Brunnen manipuliert die dämliche Gans! Und die armen Zwerge vertragen doch keinen Alkohol. Das weiß sie genau und deswegen macht sie so einen Scheiß. Na warte, der werd ich's zeigen!'

'Skodefiiiiiix ...', ertönte eine klagende Stimme aus dem hinteren Teil des Häuschens. 'Skodefiiiiiix, mit wem redest du denn da? Hast du wieder die Holzscheite verzaubert weil dir langweilig ist? Skodefix es ist kaaaaaaaaaaaaaalt, kannst du mal das Feuer anmachen???'

'Da, jetzt haben wir den Salat, jetzt hat uns meine Frau gehört!', zischte Skodefix verärgert. 'Aber du hattest recht, das ist wirklich eine verdammt eilige Sache und ich werde mich auf der Stelle drum kümmern. Sobald ich das Feuer gemacht hab, natürlich. Damit ich keinen Ärger bekomme ...'

Ethel gab sich alle Mühe, sich ihr Grinsen zu verkneifen bis sie wieder draußen im Wald war. Dort aber konnte sie sich nicht mehr beherrschen und lachte so schallend, daß die Bäume sich weit nach unten bogen. 'Uuuuuuhuuuuuuuuuhuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuaaaaaahahahahaaaa!!! der mächtige Zauberer steht soooooo unter dem Pantoffel!!!!'

'Skodefiiiiiiiiiix, hörst du die Käuzchen rufen? Bald wird wieder jemand sterben ...'

'Ja, du, wenn du nicht aufhörst mich zu nerven!' brabbelte Skodefix vor sich hin, während er mit fliegenden Händen das Holz in den Ofen schichtete und schließlich anzündete. Heftig schlug er die Ofenklappe zu und stapfte zurück in die Schlafkammer.

'Höre, Frau!', sprach er gebieterisch. 'Die Zwerge aus Unterbergen sind in Schwierigkeiten, ich muß ihnen zur Hilfe eilen. Erwarte mich nicht vor heute Abend zurück.'

Noch bevor seine Frau etwas erwidern konnte, war Skodefix aus dem Haus geeilt. Sicher ist sicher. Doch was sollte er jetzt anfangen? Wie konnte er den Brunnen wieder sauberbekommen? War das überhaupt möglich?

Als er in Unterbergen ankam war er entsetzt über das Ausmaß der Tragödie. Überall lagen die armen kranken Zwerge in der Gegend umeinander, nur vereinzelt staksten noch bleiche und zittrige Gestalten durch die Gassen. Es lag eine gespenstische Stille über dem gesamten Dorf. Wo sonst fröhliches Singen und Lachen ertönte, waren heute lediglich gedämpfte Kotzgeräusche zu vernehmen. Skodefix wurde bleich vor Wut. Diese grauenhafte Distella! Ihn anzugreifen war eine Sache. Nicht schön, aber er wußte sich zu wehren. Meistens. Aber den armen Zwergen den Brunnen zu vergiften, das ging zu weit! Dieses Mal hatte sie es übertrieben. 

'Die Rache ist mein!!!', brüllte Skodefix, daß sein Bart erzitterte. 'Ich bring die Schlampe um und tanze auf ihrem Graaaaaaaab!'

Schwach hoben die Zwerge in der vordersten Reihe ihren Kopf und blickten ihn aus trüben Augen an. 'Ahhhschhhaaaaaaaauuuuuuu, der Skooooooooodefiksch ...'

'Haltet aus, liebe Freunde!', rief Skodefix, 'ich bin gekommen um euch zu retten. Ihr dürft um Himmels Willen nicht mehr aus eurem Brunnen trinken! Wir müssen einen neuen Brunnen graben! Daß ihr dazu nicht mehr in der Lage seid, ist offensichtlich. Aber ich bin nicht umsonst der mächtige Zauberer Skodefix, ich werde euch einen zaubern. Und zwar einen viel schöneren als den alten. Und gleich ein paar hübsche Eimer dazu. Mit Henkel. Am besten in Blau, damit sie sich von den alten Rostkübeln da unterscheiden.'

Glucksend kam eine riesige Eule vorbeigeflogen und kreiste um seinen Kopf: 'Heast Skodefix, I glaub die Foab von die Eimer ist die Burschn mittlerweile total blunzn. Die brauchn a Wossa. Afoch nua Wossa ...'

'Mann Ethel echt! Wie soll ich mich konzentrieren wenn du mir ständig dazwischenquatscht?'

Wichtigtuerisch warf der Zauberer sich in Positur und rief: 'Walle Walle Gürtelschnalle, grabe Schaufel grabe! Es lacht die Küchenschabe, der Besen der lacht auch, hält sich sogar den Bauch. Tiefer tiefer wird der Schacht, bis die ganze Küche lacht. Ziegel Zagel rundherum, ei wie schaut Distella dumm!'

Und tatsächlich. In Windeseile ward ein tiefer Brunnen gegraben, mit einer hübschen Ziegelmauer rundherum und einer erklecklichen Anzahl leuchtend blauer Eimer am Rand, die sich Skodefix nun eilends schnappte und nach unten ließ, um das kühle frische Wasser aus dem neuen Brunnen zu schöpfen und an die armen durstigen Zwerge zu verteilen.

Ethel hatte sich mittlerweile wieder zurückverwandelt in ihre ursprüngliche Gestalt und half nach Kräften mit, auch wenn sie nicht mit würzenden Bemerkungen dabei sparte.

Spät am Abend, als die Rettungsaktion beendet, die Zwerge wieder wohlauf waren und Skodefix endlich wieder zuhause in seiner Stube saß, hockte plötzlich Ethel auf einem Bücherstapel neben ihm und schimpfte: 'Is halt wieder typisch Mann, oder? Kaum ist der Klamottennachschub gefährdet, da lauft ihr zu Hochform auf. Aber wenn man mal was von euch braucht, ein neues Bücherregal oder so, da hat der Herr Zauberer immer Ausreden parat. Das Pferd ist krank, die Frau ist krank, der Hammer ist krank ...'

'Halt die Klappe Ethel', murrte Skodefix. 'Ich mach dir ja dein neues Bücherregal. Ehrlich und versprochen! Aber zuerst muß ich Distella den Todesstoß versetzen. Weißt was ich grad schreib? Da kommst du nie drauf, deswegen sag ich es dir. Diese berauschende Flüssigkeit aus dem Zwergenbrunnen, die füllen wir jetzt nämlich in kleine Fläschchen und verkaufen sie an die Leute in den umliegenden Königreichen. Damit sind sie kampfunfähig und es wird NIE MEHR Krieg geben und wir verdienen uns eine goldene Nase. Ist das genial oder ist das genial??? Der Underberger Friedenstrunk. Meine Erfindung!'

Leise stieg Ethel auf das Fensterbrett und schwang sich in die Lüfte. Goldene Nase, ja klar. In uns selbst liegen die Sterne des Glücks. Ethel wußte das, und in der nahen Zukunft würde ein deutscher Dichter namens Heinrich Heine ihre Worte in die Welt hinaustragen. Doch wann würden die Menschen wirklich begreifen, daß Geld nicht das Wichtigste im Leben war?