Sonntag, 30. Mai 2021

Fräulein Adelgunde



'I soll was bitte? Ihne geht's wohl ned guat?'
Erzürnt blickte Fräulein Adelgunde den Bürgermeister über ihre Halbmondbrille hinweg an. Korrekt gekleidet wie immer, heute im apricotfarbenen Twinset, thronte sie hinter ihrem Schreibtisch, ganz Leib und Seele der Gemeindebücherei.

'Frau Adelgunde,' warf der Bürgermeister leicht verzweifelt und mit der korrekten Anrede ein, denn Fräulein sagte man, wie so vieles andere, schon lange nicht mehr, 'Sie müssen mich verstehen, ich hab die Gesetze nicht gemacht, ich muß nur drauf achten, daß sie eingehalten werden. Und wenn die Läden und Büchereien landesweit schließen müssen, dann eben auch bei uns.'

'Ha, des meunet Se! Etzt hend mir sowieso nur am Sonndag von Neune bis Zwölfe auf, wo sollet die jonge Leut denn a Bildung härkriega, wenn mir no GARNEMME aufhend? Nur no ins Hendy gugga ond elles falsch schreiba? Jo guat's Nächtle au! Mei Bücherei bleibt auf, do miaßt mi des Kretschmännle scho persönlich raustraga, ond des schafft der ned. I bleib do hanna hocka, ond etzt ab in da Gottesdienscht mit Ihne, gäbat se a Beischpiel! Odr isch där au verboda?'

'Das nun noch nicht,' antwortete der Bürgermeister gemessen, 'und soweit wird es wohl bei uns auch nicht kommen, aber Freude macht es auch keine, mit dieser Maske stundenlang dazusitzen und zu warten, bis der Herr Pfarrer mit seiner kilometerlangen Predigt fertig ist. Wenn nur die Solistin im Chor nicht so knödeln würde ...'

'Hano, an Kunschtgenuß wia in dr Schtadt derfet Se bei ons et erwarta,' warf Fräulein Adelgunde  gespielt affektiert ein, 'abr Sie kennet ja amol selbr mitsenga, om des Niveau zu senka, no fallt des Adele nemme so unguat auf, was meunet Se?'

Die Provokation gekonnt ignorierend drehte sich der Bürgermeister desillusioniert um und verließ die Bücherei. Er hatte sein Bestes getan, nun war guter Rat teuer.

Natürlich war die Bücherei wichtig. Erst neulich hatte ihm seine Frau ganz glücklich von einem Gartenbuch erzählt, das ihr das Fräulein Adelgunde empfohlen hätte, war ganz glücklich neben seiner Sonnenliege auf- und abgelaufen und hatte ständig von 'Ausgeizen' gesprochen. Wie immer hatte er nur mit halbem Ohr zugehört und zunächst geglaubt, ganz Schwabe, es hätte etwas mit Geld zu tun das wer von ihnen wollte und das man ihnen stur nicht gibt bis sie aufhören zu nerven, aber nein, es handelte sich wohl um eine Methode, der Braunfäule bei Tomaten zuleibezurücken, und da er sehr gerne Tomatensalat aß war ihm das Gartenstudium seiner Frau natürlich durchaus recht.

Am Mittwoch darauf, in der Gemeinderatsitzung. Kekse und Softdrinks in der Mitte des großen Tisches, eine willkommene Ausrede, die Masken zum Zwecke des Mümmelns kürzer oder länger beiseitezuschieben. Großes Thema heute natürlich: Wie bekommen wir die Bücherei geschlossen ohne das Fräulein Adele unter Lebensgefahr hinaustragen zu müssen.

'I hätt do a Idee,' meldete sich der Xaver, welcher nicht nur einer der größten Bauern im Ort war sondern auch ein kleines aber feines Bordell in einem umgebauten Kuhstall betrieb. Betrieben hatte ...

'Es gott ja nur darum, daß mer von außen glauba soll, es wär ned auf. Wäga die Nachbarn ond so. Also müssemer die Adelgunde drinnen so beschäftigen, daß sie meunt es isch auf, ond sie abr garned merkt, daß keu Kundschaft kommt. Ablenkungsmanöver, sozusagen. Ond mer müsset ned in Gottesdienscht ...'

Das war natürlich ein Argument, dem sich kaum jemand entziehen wollte und die Gesichter um den Tisch lebten merklich auf. Angestrengtes Nachdenken und lebhafte Diskussionen folgten, der nächste Sonntag stand immerhin kurz bevor. 

Samstagabend saßen die Herren des Gemeinderates geschlossen Fräulein Adelgunde gegenüber. Aufgeputzt wie die Pfingstochsen, mit sämtlichen Orden und Verdienstabzeichen geschmückt, wegen der Autorität halt, hatte man sich im Hinterzimmer des Ochsen versammelt, auf dem Land nahm man es nicht so genau und außerdem war es ja dienstlich. Xaver räusperte sich vernehmlich und ergriff dann das Wort: 'Fräulein Adelgunde, wir haben eine Bitte an Sie. Wir kennen alle Ihr weiches Herz, auch wenn Sie es nur allzuoft zu verbergen wissen. Wir haben da ein kleines Problem und hoffen sehr auf Ihre Hilfe. Ehrlich gesagt, ohne Sie sind wir aufgeschmissen und hoffen sehr, daß Sie uns beistehen mögen.'

'Heilix Blechle Xaver, wenn du hochdeutsch schwätzt, no isch es wirklich ernscht. Wa hend er denn für a Probläm?', fragte Adelgunde halb amüsiert, halb besorgt.

'Es geht um einen Asylwerber. Der soll abgeschoben werden noch vor seiner Verhandlung, das geht natürlich nicht und wir wollen ihm gerne helfen. Und ich wüßte kein besseres Versteck als das Hinterzimmer der Bücherei. Natürlich dürfen wir keinen Kundenverkehr haben in dieser Zeit. Wir müßten also vorne absperren, damit er sicher ist und ihn niemand sieht', meldete sich der Bürgermeister zu Wort.

Fräulein Adelgunde erklärte sich sofort bereit, dem 'arma Bua' Zuflucht in ihrer Bücherei zu gewähren und verfügte sich stante pede nach Hause um Kekse zu backen, damit er nicht am Ende eines qualvollen Hungerstodes stürbe, bevor der Gerechtigkeit Genüge getan werden konnte. Die Herren baten den Asylwerber in Gedanken um Verzeihung (sie kannten diese Kekse aus eigener leidvoller Erfahrung) und marschierten von dannen, um den jungen Mann, dessen Schicksal ihnen erst kürzlich vom Bürgermeister der Nachbargemeinde zugetragen worden war, in seiner Unterkunft abzuholen.

So betrat noch am selben Abend, im Schutze der Dunkelheit, Arif die Gemeindebücherei und schlug dort sein bescheidenes Lager auf. Die Themen der nächsten Gemeinderatssitzung waren dem Bürgermeister der Nachbargemeinde nämlich wohlbekannt und er war brennend daran interessiert was da wohl so geredet werden würde. Er verfügte weiters über beste Beziehungen, nicht nur nach ganz oben sondern auch weit und breit im Ländle, er hatte vom Büchereidilemma des Kollegen erfahren und ganz 'uneigennützig' seine Hilfe angeboten. 

Und so begann Arif, kaum hatte man ihn mit Lebensmitteln, Decken und Kissen wohlversorgt zurückgelassen, sich mit Hilfe einer kleinen Taschenlampe einen Weg ins Hinterzimmer des Hirschen zu bahnen (welches direkt an die Bücherei angrenzte, und dort gezielt Wanzen und Mini-Videokameras zu verteilen. Sollte ihm das Anfängerglück hold sein, so würden sicher bald spannendere Aufgaben folgen hatte es geheißen. Bis dahin mußte es ihm genügen, vor der Anwältin sicher zu sein. Bis hierher würde sie ihn sicherlich niemals verfolgen. Wenn nur diese Adelgunde mit ihren Keksen nicht wäre ...







Samstag, 22. Mai 2021

Knapp entwischt ...



'Bringst noch an Speck mit vom Hofer, Annelie? Ich tät gern amal wieder Alpenglühen zum Frühstück haben???'

'Logisch Tonerl, moch I!'

Annelie, die Frau des Feuerwehrhauptmannes warf sich mit Begeisterung in ihr neues Auto, welches sie zum Geburtstag von ihrem Mann bekommen hatte, und brauste los. Inzwischen traute sie sich, den erfreulich schnellen Flitzer voll auszufahren, es konnte ihr ja nichts passieren, immerhin war ihr Mann auch der Chef der örtlichen Polizei.

Der Einkauf war rasch erledigt, vormittags waren grundsätzlich wenig Leute beim Einkaufen unterwegs, die meisten waren beispielsweise damit beschäftigt den Hund auszuführen, damit die Trümmerln dann vor den Grundstücken der Nachbarn lagen und nicht vor den eigenen, das Jackett des Ehemannes nach fremden Haaren abzusuchen oder mit dem Geigerzähler durch den Wald zu marschieren, im Fall daß die Pilze verstrahlt wären die sie sich gerade ins Körberl sammeln wollten, die wären dann immer noch als Geschenk für die Schwiegermutter geeignet.

Annelie ging beim Ausparken bereits im Kopf das Rezept für die Alpenglühen-Weckerln durch, denn Kochen war ihre Leidenschaft, Essen die ihres Mannes, und die Kunst dabei war, beides so zu verbinden, daß dennoch beide nicht noch weiter zunahmen. Dergestalt beschäftigt bemerkte sie daher auch den näherkommenden Traktor nicht, setzte, ganz in Gedanken, völlig abrupt rückwärts aus der Parklücke, und erst als neben ihr der Traktor infolge seines hastigen Ausweichmanövers halb über die Kante hängend zum Stehen kam und die Ladung sich heftig prasselnd, praktisch Steinschlag, vom umgekippten Hänger halb auf den Parkplatzboden, halb auf ihr Autodach, ergoß, wachte sie aus ihren Kochträumen auf.

'Jössas naa, wos is jetzt los? Jöh, der oame Foara!'

Der Traktorfahrer hing halb aus seiner Kabine, erst konnte sie, die sie ihm selbstverständlich rasch zur Ersten Hilfe geeilt war, sein Gesicht nicht sehen doch dann bildete sich jähes Erschrecken auf ihren trotz ihres Alters noch immer attraktiven Zügen ab. Jonas! Der Fahrer war keiner der Bauern aus der Umgegend, was schlimm genug gewesen wäre, sondern ausgerechnet Jonas! Ein ehemaliger Liebhaber aus ihrer wilden Zeit in Wien, welcher ganz in der Nähe, drinnen im Wienerwald, ein Häuschen besaß welches ihr bestens bekannt war, nicht nur von außen.

Aber was hatte er hier in ihrer Ortschaft zu suchen, noch dazu auf einem Trecker, der einen mit Steinen beladenen Anhänger hinter sich herzog? Beziehungsweise gezogen hatte ... der Traktor hing noch immer halb über der Kante Richtung Hofer, und Jonas ... der schlug gerade seine Augen auf, richtete sich stöhnend auf, fuhr sich mit der Hand über die Stirn und sah sie an: 

'Na geh, die Annelie! Heast, wos duast denn? Seit waun host du an Schein? Vorgestern? Man schaut doch bevor man ausparkt! Na seavas, do brauch ma die Feuerwehrler, I hoff du bist gut versichert, des kost a Lawine da konnst di drauf valossn!'

'Wie geht's da denn?', fragte Annelie beschämt, 'hast dir eh nix brochn oder so? Duat ma laad, I hob an wos aundas docht ... oba wos führst a grod etzn die Staana do vuabei? So a bleda Zuafoi ...'

'Ahso, die aundan kennen di woahscheinli scho und umfahrn di prophlaktisch bereits großräumig, wos?' Sich langsam wieder zu seiner imposanten Größe aufrichtend berichtete Jonas von den Umbauarbeiten eines Freundes in seiner Nachbarschaft, dem er aktuell behilflich sei, ein paar Mauern einzureißen, da dieser eifrig dabei sei, sein Haus zu vergrößern. Wilde Partys seien geplant und sie wisse eh. Wie damals halt, im Swingerclub, nur eben privat. Tief Luft holend sah er sie an: 'I maan I mir is nix passiert, müßt ma halt den Anhänger wieder ... und den Trecker ... oba huach, do kummt schon die Feierwea ... na fesch, die san schnö. Woascheinlich immer in Bereitschaft wannst mid'n Auto unterwegs bist ha? Oba guat schaust aus, des Landlebn scheint dir zu bekommen!'

Mittlerweile war das Feuerwehrauto herbeigebraust, zum Stehen gekommen und heraus sprang ... ausgerechnet Toni ... Annelie schaffte es gerade noch, Jonas zuzuflüstern, daß sie so tun sollten, als ob sie sich nicht kennen, da ihr Mann nichts von ihren Wiener Eskapaden wisse, da standen die Männer bereits um den Traktor herum, zogen die Gurte an, sicherten was zu sichern war, während Toni sich festen Schrittes dem Führerhaus näherte. 

'Seawas, brauch man an Notarzt? Geht die Tür noch auf? Alles soweit in Ordnung sonst?' Jonas versicherte, daß ihm bis auf den Schrecken nichts passiert sei, und grinste dann hinterhältig: 'Bissl heftig, des Zusammentreffen mit der Annelie, wie früher halt, gell Annerl? Warst schon immer ein fescher Kracher.' 'Ach, ihr kennt euch?', fragte Toni erstaunt? 'Aber hallo! Sowas von. Sozusagen feststehende Bekanntschaft, haha.'

Annelie funkelte ihn erbost an, und blickte dann, wie auf eine Eingebung hoffend, auf dem Parkplatz umeinander - und tatsächlich kam, klassischer Deus ex Machina, exakt in diesem Augenblick ein Auto direkt neben dem ihren zu stehen und heraus stieg, man sollte nie glauben es könne nicht schlimmer kommen, die Chefin des Swingerclubs, in dem sie und Jonas damals verkehrt waren.

'Geh Jonas,', rief die Frau Chefin erschrocken aus, 'was ist dir denn passiert? Ganz bleich schaust aus!' Diskret wie immer sah sie immerhin davon ab, Annelie auch noch zu begrüßen, aber Toni sah mit gerunzelter Stirn dem Austausch zu, denn natürlich wußte er, wer die Frau war, in so einem kleinen Ort kennt man sich eben. Die Chefin eines bekannten Swingerclubs begrüßt mit Leidenschaft einen Mann, der seinerseits seine Annelie als alte Bekannte bezeichnet hatte? Und seine Frau, sonst wirklich nicht auf den Mund gefallen, stand daneben wie das personifizierte schlechte Gewissen? Was war da los, was wurde da gespielt? Hatte sie sich am Ende ... mit ihm dort getroffen? Auch mit anderen? Und ihm nichts davon erzählt? Er hatte sie damals als grundanständige, zwar geschiedene aber ehrbare alleinstehende Frau kennengelernt, die in einer Behörde einen Minijob hatte und sich so eher mühsam über Wasser hielt.

Toni versicherte der Frau Chefin, daß dem Jonas nichts passiert sei und bat sie, nun aber zur Seite zu treten, damit seine Männer mit der Bergung des Fahrzeugs beginnen könnten. Jonas, fies grinsend, rief ihr noch hinterher, man könne ja Annelie vielleicht ein bisserl strippen lassen, um die Männer zu Höchstleistungen anzuspornen. Vor Verlegenheit wußte diese nicht mehr, wohin sie schauen sollte, die Chefin erfaßte die Situation jedoch augenblicklich und rief laut: 'Jonas, du bist ein boshaftes Mensch. Du weißt genau, daß ich die Annelie damals nur als Kellnerin eingestellt hatte, also was soll der depperte Schmäh jetzt?'

Zu Annelie gewandt erklärte sie, deutlich und so daß Toni alles hören konnte: 'Frau Annelie, die Leut fragen immer noch nach Ihnen obwohl Sie damals immer viel zuviel anhatten. Aber sonst hat es nie eine Kritik gegeben, und ich hab Sie ja auch nur sehr ungern gehen lassen wie Sie wissen, Sie haben immer hervorragende Arbeit geleistet, immer korrekt, immer pünktlich und stets freundlich auch mit schwierigen Kunden. Aber nachdem Sie die Arbeit dort nicht mehr mit ihrem Verständnis von Anstand und Würde vereinbaren konnten ... ja, was sollte ich machen, ich konnte Sie ja nicht festbinden. Obwohl sich dafür sicher auch ein Publikum gefunden hätte ...'

Mit einem gespielt erschrockenen Räusperer aufgrund ihrer Offenheit drehte sie sich am Absatz um, und strebte Richtung Hofer. 'Bussi baba olle miteinand, I geh dann mal, heut is der Schampus im Angebot ...' und weg war sie.

Stumm starrte ihr Annelie hinterher, insgeheim die hochglänzende Fabulierkunst der guten Frau bewundernd, und wagte dann einen vorsichtigen Blick in die Richtung ihres Mannes. Dieser tat einen lauten Seufzer und meinte: 'Annerl, des hättst mir doch können erzählen, daß du dort als Kellnerin warst. Und daß du trotz deiner angespannten finanziellen Lage auf den Job letztendlich verzichtet hast, also das ist ... eigentlich ein Blödsinn gell, aber freuen tut's mich irgendwie schon. Na, jetzt hast ja mich, da mußt dich nicht mehr von solchen Grobianen beleidigen lassen!'

Fürsorglich zog er seine Frau zu deren Auto und meinte, mit einem letzten abschätzigen Blick in Richtung Traktor: 'Die Männer können das jetzt allein erledigen, ich führ dich rasch heim, nach dem Schock laß ich dich nimmer selber fahren, ned daß am End noch wirklich was passiert.'




Mittwoch, 5. Mai 2021

Einladung zum Dinner




Natürlich wisse seine Frau Bescheid, hatte er mir ernsthaft versichert. Bald würde man Goldene Hochzeit feiern und es habe für ihn immer nur diese eine Frau gegeben. Aber leider sei er trotz seines fortgeschrittenen Alters sexuell noch sehr aktiv, während seine Frau ...

Begeistert sei sie natürlich nicht darüber, daß er sich immer wieder einmal eine kleine Freundin aus den unzähligen Models herauspicken würde, die ihm im Laufe seines Fotografenlebens vor die Linse kämen, und es sei ihr auch klar, daß er mit den Mädels nicht nur ins Kino oder ins Theater ginge, sondern daß es sich hierbei um die zumindest geplante Befriedigung beiderseitig vorhandener Erregungszustände handle. Aber, so erzählte er weiter, seine Frau habe somit immerhin einen zufriedenen Mann zuhause, daher habe sie sich mit seinen Verhältnissen arrangiert. Allzu oft käme es sowieso nicht vor, das letzte Mal sei nun schon 12 Jahre her.

Tja, und zack waren meine Vorsätze, mich von verheirateten Männern fernzuhalten, den Bach hinunter. Reißender Gebirgsbach, sozusagen.

Das erste Fotoshooting lag bereits hinter uns, wir hatten uns phantastisch verstanden, viel geredet und gelacht, man merkte ihm sein fortgeschrittenes Alter tatsächlich nicht an, er war fitter als die meisten Männer die ich bisher kennengelernt hatte, obwohl diese erheblich jünger waren, teilweise sogar jünger als ich selbst. Wahrscheinlich die gesunde Bergluft im Voralpenland. 

Kurz darauf stand die nächste Verabredung an, dieses Mal eine gemeinsame Fototour in Garmisch, wo er in der Früh einen Arzttermin hatte und wir den Rest des Tages mit unseren Kameras in der Gegend umherstreifen wollten. Wie das Wetter in den Bergen nun einmal ist, zogen unversehens dicke, graue Wolken auf, die fetteste unter ihnen schien direkt über uns zu hängen, und während ich noch besorgt nach oben blickte brach plötzlich ein Platzregen los, daß es nur so spritzte.

Den Göttern sei Dank befand sich direkt gegenüber ein kleines Lokal, welches auch bereits geöffnet hatte und in das wir uns flüchten konnten. Bei Käseplatte, Oliven und Nüssen saßen wir lange in vertrauter Zweisamkeit, ich hatte mittlerweile nicht nur das Höschen ausgezogen und der Großteil meiner Kleidung dampfte auf den Heizkörpern vor sich hin. Es herrschte eine seltsam erotisch aufgeladene Stimmung, mein Oberteil war völlig absichtslos, praktisch selbständig, verrutscht, und als er in weinseliger Stimmung vorschlug, ich könne mich ja bei ihm zuhause duschen und umziehen, damit ich mir keine Erkältung holte, auf dem langen Weg nach München in den noch immer feuchten Kleidern, stimmte ich erfreut zu. Schließlich wußte seine Frau ja Bescheid.

Der Empfang bei ihm zuhause fiel dennoch etwas frostig aus, ich wollte mich daher lieber nicht lange aufhalten, doch die Frau des Hauses, ganz die Dame, bestand darauf, daß ich mit ihnen noch zu Abend äße, bevor ich mich auf den Heimweg machte. Sie hätte erst dieser Tage auf dem Friedhof frischen Bärlauch geerntet und daraus Pesto und auch Brotaufstrich bereitet, den MÜSSE ich einfach probieren und es würde schließlich daheim niemand auf mich warten, oder?

Sorgsam bestrich sie die Brötchenhälften und achtete auch darauf, daß ihr Gemahl nicht zu kurz kam. 

Was mir nicht auffiel war, daß sie den Aufstrich aus verschiedenen Gläsern entnahm. Das weiß ich erst jetzt, wo ich selber auf Wolken reite und mich an dem Regen erfreue, der aus ihnen herab auf die Welt purzelt und alles reinwäscht. Alles, bis auf die Mörder und Mörderinnen. Die tragen ihre Schuld für den Rest ihrer Existenz mit sich herum. Auch wenn man ihnen niemals draufkommt, so wie damals, im Voralpenland, wo praktischerweise jeder hinter dem Haus einen eigenen Komposthaufen hat in dem er alles vergräbt, was an Hausmüll so anfällt.