Cousin Fredi seinerseits wußte sehr genau, wie weibliche Wesen, denen ein Mann was versprochen hatte, sich gebärden konnten. Seine Schwester Jadwiga pflegte seit geraumer Zeit den Abendbrottisch nicht nur mit selbstgebastelten Serviettenringen sondern auch mit in epischer Breite dargebrachten Schilderungen ihrer amourösen Abenteuer aufzubereiten. Es war die Rede von heimlichen Treffen hinter dem Kramerladen, von heißen Knutschereien an St. Patrick's Day und gar von Verabredungen mit Jungs im Nachbardorf.
Der Vater glänzte meist durch Abwesenheit, den Göttern sei Dank, und das sorgenvolle Gesicht der Mutter konnte auch durch die wildesten Geschichten, trotz des Wissens darum, daß sie höchstwahrscheinlich sowieso zum Großteil erfunden waren, nicht mehr sorgenvoller werden als es sowieso schon war.
Dabei war alles tatsächlich ausgesprochen harmlos - bis Jadwiga auf Herrn Hangholm traf. Wie genau sie ihn kennengelernt hatte kam nie zur Sprache, und Fredi, damals bereits erwachsene 14 Jahre alt, konnte absolut nicht begreifen, was die Schwester an dem kuriosen Typen fand. Herr Hangholm war Amerikaner, daher hieß er so komisch, und wohnte, ein nicht wettzumachender Vorteil gegenüber den Jungs in Jadwigas Alter, in einem eigenen Haus. Sturmfreie Bude, sozusagen. Das Haus stand alleine, keins dieser üblichen Reihenhäuser mit handtuchgroßem Vorgarten und einer Ansammlung rostiger Geräte im Hinterhof, nein, es besaß einen wunderschönen großen Garten in dem Rosenbüsche wuchsen, Schmetterlinge tanzten, Bienen surrten und die Idylle nur ab und an vom heiseren Schrei der Pfaue durchbrochen wurde. Ja, Herr Hangholm hatte Pfaue im Garten. Drei kleinere, unscheinbare braune Weibchen und zwei prächtige, in sämtlichen Blautönen schillernde Männchen.
Böse Zungen spotteten, es sei ein Wunder, daß Herr Hangholm andere männliche Wesen in seiner Nähe duldeten, doch kein Gerede der Welt konnte Jadwiga davon abhalten, sich ihrerseits in die gefährliche Nähe des Amerikaners zu begeben, mit ihm ausgedehnte Landpartien zu unternehmen und sich auf Abendgesellschaften neben ihm im hochgeschlossenen Kleid zu bewegen wie eine Dame.
Die einstmals begeisterten Schilderungen am Abendbrottisch waren ausweichenden Andeutungen gewichen, behutsames Nachfragen der Mutter wurde lediglich mit verschämtem Erröten und zitternden Händen quittiert an deren einem Finger nun ein klobiger Ring zu bewundern war. Auch Fredi wurde nicht mehr ins Vertrauen gezogen - zwar konnte er ihr heimlich bis zu Herrn Hangholms Haus folgen, doch was sie dort drinnen trieb blieb ihm trotz heroischer Anstrengungen stets verborgen, blickdichte Vorhänge verbargen solidarisch jegliches Geschehen innerhalb der Hangholmschen Mauern vor etwaigen neugierigen Blicken aus nußbraunen Bubenaugen.
So ging der Sommer munter dahin, es wurde Herbst, die Blätter fielen nach und nach von den Bäumen, die Pfauen ließen sich nur mehr selten blicken, und eines Tages war Herr Hangholm einfach verschwunden. Jadwiga sperrte sich für zwei Tage in ihrem Zimmer ein, erschien danach wieder am Abendbrottisch, zwar mit roten Augen aber gefaßt, und nach wie vor nicht bereit, sich in irgendeiner Weise zu den Vorgängen im Hause Hangholm zu äußern.
Die Pfauen wurden vom RSPCA in den Tiergarten der nächsten größeren Stadt verbracht und das Haus schien während der folgenden Jahre immer mehr zu schrumpfen, als ob Mutter Erde den Mauern ihre Bedeutung entzöge und sie daher geschwächt immer tiefer in den Boden hineinsänken.
Und dann wurden auf einmal dieses Skelett im Wald ausgebuddelt. Ganz klassisch, vom Hund eines Spaziergängers, einem Sommerfrischler, der während seines Urlaubs das Cottage oben am Waldrand gemietet hatte. Der lokale Police Constable befragte alle und jeden, der Sommerfrischler reiste mit bleichen Wangen ab und nur Fredi sah das befriedigte Blitzen in Jadwigas Augen als das Verfahren nach zugegebenermaßen eher oberflächlichen Untersuchungen eingestellt wurde. Gewaltanwendung konnte oder wollte nicht wirklich nachgewiesen werden, schließlich handelte es sich lediglich um einen Amerikaner, den sowieso niemand vermißte.
Seither war Fredi äußerst vorsichtig im Umgang mit den Damen und ließ seine sommerbraunen Augen niemals länger als unbedingt notwendig auf einem weiblichen Wesen ruhen, stets bedacht darauf, daß sie niemals die Idee bekommen sollte, er hätte einer von ihnen etwas versprechen wollen ...